OLG Köln: Zur Auslegung des Begriffs „unwesentliches Beiwerk“ i.S.d. § 57 UrhG (Gemäldeabbildung in Möbelkatalog)

OLG Köln, Urteil vom 23. August 2013, 6 U 17/13

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 24. 1. 2013 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 14 O 409/12 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Dieses Urteil und das genannte Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

(anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO)

I. Der Kläger ist Künstler und Urheber des Gemäldes „ohne Titel 2002/08“, Mischtechnik auf Leinwand. Die Beklagte stellt Büromöbel her. Im Jahr 2008 kamen die Parteien überein, dass mehrere Werke des Klägers, darunter auch das genannte Gemälde, in den Verkaufsräumen der Beklagten gezeigt werden sollten. Dementsprechend überließ der Kläger es der Beklagten im August 2008.

Nach Rückgabe des Gemäldes stellte der Kläger fest, dass die Beklagte Abbildungen des Gemäldes auf ihrer Internetseite www.X.de öffentlich zugänglich gemacht und in einem Printprospekt abgebildet hatte. Eine Nennung des Klägers als Urheber erfolgte dabei nicht.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 17. 7. 2012 forderte der Kläger die Beklagte zur Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie zur Auskunft über Art, Ausmaß und Dauer der Nutzung auf. Die Beklagte gab mit anwaltlichem Schreiben vom 24. 7. 2012 zwar eine Unterlassungserklärung – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, gleichwohl rechtsverbindlich – ab, verweigerte jedoch die Auskunft. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 25. 7. 2012 forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr und seiner Anwaltsgebühren, insgesamt von 19.373 EUR, auf.

Der Kläger hat im Wege der Stufenklage beantragt, die Beklagte zur Auskunft über den Zeitraum zu verurteilen, in dem sein Werk auf ihrer Website öffentlich zugänglich gemacht wurde, sowie darüber, an welchen sonstigen Stellen im Internet und/oder offline es vervielfältigt oder öffentlich zugänglich gemacht wurde. Ferner hat er beantragt, die Beklagte nach erteilter Auskunft zu verurteilen, an ihn eine fiktive Lizenzgebühr nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, die Nutzung des Werkes sei mit Zustimmung des Klägers erfolgt. Dieser habe damals den Wunsch geäußert, zumindest eines seiner Werke als Einrichtungsfotomotiv zur Verfügung stellen zu dürfen. Er habe aber darauf bestanden, dass sein Name nicht genannt werde, weil er sonst befürchtet habe, Schwierigkeiten mit seiner C Galerie zu bekommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat einen Auskunftsanspruch des Klägers verneint, weil die Verwendung des streitgegenständlichen Gemäldes durch die Beklagte nach § 57 UrhG zulässig gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Kläger weiter sein erstinstanzliches Klageziel. Ergänzend trägt er vor, die Beklagte verwende das Bild nach wie vor auf ihrer Internetseite.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 24. 1. 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,

1. Auskunft zu erteilen über den Zeitraum, während der das nachfolgend wiedergegebene Werk des Klägers ohne Titel 2002/08, Mischtechnik auf Leinwand; Archiv Nr. B_04/099; Maße 220 cm x 190 cm auf der Website der Beklagten www.X.de öffentlich zugänglich gemacht wurde:

2. Auskunft zu erteilen, an welcher sonstigen Stelle im Internet einschließlich sozialer Netzwerke und/oder offline, etwa in Katalogen, das unter 1. näher beschriebene Werk zugänglich gemacht wurde, und zwar ganz oder teilweise, selbst oder durch Dritte, jeweils mit dem jeweiligen Veröffentlichungszeitraum,

sowie die Sache zur Entscheidung über die Schadensersatzansprüche an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags das angegriffene Urteil. Sie trägt vor, sie verwende das Bild auch nicht mehr auf ihrer Internetseite, bei dem vom Kläger vorgelegten Ausdruck müsse sich um eine frühere, in einem Cache gespeicherte Version der Internetseite handeln.

II. Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Klage mit Recht insgesamt abgewiesen, da es an einer Verletzung des Urheberrechts des Klägers fehlt.

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das in dem Katalog und auf den Internetseiten der Beklagten wiedergegebene Gemälde des Klägers nur unwesentliches Beiwerk im Sinn des § 57 UrhG darstellt und seine Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe in diesem Rahmen daher zulässig ist.

Maßgeblich für die Frage, ob ein Werk nur „unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand … der öffentlichen Wiedergabe“ ist, ist der objektive Maßstab des angesprochenen Betrachters (OLG München, Urteil vom 9. 6. 1988 – 6 U 4132/87NJW 1989, 404 – Kunstwerke in Möbelprospekten; Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl. 2013, § 57 Rn. 3). Dabei kommt dem inhaltlichen Zusammenhang, in den eine Abbildung gestellt wird, entscheidende Bedeutung zu (Maaßen, ZUM 2003, 830, 837). Unwesentliches Beiwerk soll nach der zitierten Entscheidung des OLG München, die ebenfalls Gemäldeabbildungen in einem Möbelkatalog betraf, vorliegen, wenn es keine noch so unbedeutende inhaltliche Beziehung zum Hauptgegenstand aufweise und durch seine Zufälligkeit und Beliebigkeit für ihn ohne jede Bedeutung sei. In einer späteren Entscheidung heißt es, der eigentliche Gegenstand müsse derart beherrschend sein, dass das neben ihm erscheinende Beiwerk ohne Beeinträchtigung der Gesamtwirkung des Hauptgegenstandes und unmerklich ausgetauscht werden könne (OLG München, Urteil vom 13. 3. 2008 – 29 U 5826/07 – juris Rn. 5 m. w. N.). Teilweise wird in der Literatur verlangt, die Einbeziehung müsse „mehr oder wenig zufällig“ erfolgen, was bei einer bewussten Einbeziehung ausscheide (Fromm/Nordemann/W. Nordemann, UrhG, 10. Aufl. 2008, § 57 Rn. 2). Letztere Ansicht lässt sich aber nicht damit vereinbaren, dass es auf die Beurteilung nach dem objektiven Maßstab des Betrachters ankommt (vgl. Wandtke/Bullinger/Lüft, UrhG, 3. Aufl. 2009, § 57 Rn. 2).

Auch wenn § 57 UrhG als Schranke des Urheberrechts eng auszulegen ist, gehen die Äußerungen in der Kommentarliteratur über die Motive des Gesetzgebers bei der Einführung des § 57 UrhG hinaus. Danach soll der Urheber die Verwertung seines Werkes nur dann verbieten können, wenn es den eigentlichen Gegenstand der Verwertungshandlung darstelle. Daher sollten beispielsweise Gemälde, die bei der Herstellung eines Spielfilms mit aufgenommen werden, auch ohne die Zustimmung des Urhebers der Gemälde wiedergegeben werden können, soweit sie für die Handlung des Films keine Rolle spielen (BT-Drucks. IV/270, S. 75, zu § 58). Dreier kritisiert diese amtliche Begründung ausdrücklich als „zu weitgehend“ (Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl. 2013, § 57 Rn. 3). Demgegenüber gibt sie aus Sicht des Senats Anlass, den Anwendungsbereich der Vorschrift nicht zu restriktiv zu sehen, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Gesetzgeber eine überflüssige Vorschrift schaffen wollte (so aber im Ergebnis Fromm/Nordemann/W. Nordemann, UrhG, 10. Aufl. 2008, § 57 Rn. 3; kritisch zu einer zu engen Interpretation Ahlberg/Götting/Grübler, BeckOK UrhG, Stand 1. 3. 2013, § 57 Rn. 6).

Im vorliegenden Fall stellt sich zunächst die Frage, welches der „eigentliche Gegenstand“ der Vervielfältigung und öffentlichen Wiedergabe ist – das Foto, auf dem das Werk des Klägers abgebildet ist, oder der gesamte Katalog beziehungsweise die Internetseite der Beklagten, auf der das Bild wiedergegeben worden ist. Die zitierte Gesetzesbegründung spricht dafür, dass es auf den Gesamtzusammenhang (wie den dort beispielsweise genannten Film) ankommt (vgl. auch OLG München, Urteil vom 13. 3. 2008 – 29 U 5826/07 – juris Rn. 5: gesamtes Heft als Hauptgegenstand). Dies steht auch im Einklang mit der zitierten Auffassung, dass der inhaltliche Zusammenhang, in den die Abbildung gestellt wird, für die Beurteilung maßgeblich ist (Maaßen a. a. O.). Die Interessen des Klägers als Urheber würden in anderer Weise beeinträchtigt, wenn die Fotografie, auf der sein Gemälde abgebildet ist, als großformatiger Kunstdruck vertrieben würde, als bei der hier in Rede stehenden Wiedergabe mitten in einem Katalog. Als der eigentliche Gegenstand der Wiedergabe ist daher im vorliegenden Fall der gesamte Katalog beziehungsweise die Internetseite anzusehen.

Die primäre Aufgabe des Katalogs ist die Förderung des Absatzes der Möbel der Beklagten, diese stehen eindeutig im Vordergrund. Soweit auf den Katalogabbildungen Kunstgegenstände erscheinen, erscheinen sie als reine Staffage, die ohne weiteres austauschbar ist. Noch nicht einmal die Kunstrichtung ist für ihre Auswahl maßgeblich: Dies zeigt die Abbildung auf S. 66/67, eine Seite vor der beanstandeten Abbildung, wo die Möbel der gleichen Serie zusammen mit künstlerisch gestalteten Farbfotografien, also Kunstwerken einer völlig anderen Stilrichtung als das Gemälde des Klägers, präsentiert werden. Auf S. 65 werden sie sogar im Zusammenhang mit barock gestalteten Elementen (Spiegel und Kristallleuchter) dargestellt. Dies zeigt hinreichend deutlich, dass die auf den Bildern abgebildeten Kunstgegenstände untereinander austauschbar sind. Aus der Sicht des Möbelinteressenten, an den sich der Katalog richtet, stellen sie zufällige Gestaltungselemente dar, die für ihn ohne Bedeutung sind.

Auch wenn dem Kläger zuzugestehen ist, dass das Gemälde auf der Fotografie, wenn diese für sich betrachtet wird, einen deutlichen kontrastierenden Farbakzent setzt, so führt dies doch nicht dazu, dass das Gemälde im Gesamtzusammenhang des Katalogs besonders hervortritt. Gleiches gilt auch für die weitere Abbildung auf Seite 95 des Katalogs, auf die der Kläger erstmals in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 16. 8. 2013 hingewiesen hat. Dort ist das Gemälde sogar nur teilweise abgebildet, was erneut seine untergeordnete Rolle im Verhältnis zu dem Gesamtkatalog belegt.

Auch der in der Berufungsinstanz vorgelegte Ausdruck der Internetseite der Beklagten rechtfertigt im Ergebnis keine abweichende Beurteilung. Der Kläger hat diese Ausdrucke (Bl. 132 f. d. A.), aus denen sich ergibt, dass das Foto auch außerhalb des Katalogs verwendet worden ist, zwar erstmals in der Berufungsinstanz vorgelegt. Da die Beklagte lediglich einwendet, es handele sich um eine ältere Version ihres Internetauftritts, ist es unstreitig, dass das Foto jedenfalls früher auch in diesem Zusammenhang eingesetzt worden ist. § 533 Abs. 2 ZPO steht daher der Berücksichtigung dieser Ausdrucke nicht entgegen.

Allerdings tritt das Gemälde auch in der Verwendungsform des Fotos auf der Internetseite nicht in den Vordergrund. Es handelt sich nur um eines einer Reihe von sechs Fotos, das sogar in einem etwas kleineren Format wiedergegeben ist als die anderen Abbildungen. Jedenfalls in dem vorgelegten Ausdruck wird dabei das Gemälde des Klägers so klein und vergröbert wiedergegeben, dass Einzelheiten nicht mehr erkennbar sind. Auch in diesem Zusammenhang ist es daher noch als unwesentliches Beiwerk der Seite anzusehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache zugelassen (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung des Begriffs „unwesentliches Beiwerk“ in § 57 UrhG ist bislang – soweit ersichtlich – noch nicht ergangen. Die Voraussetzungen, unter denen dies anzunehmen ist, sind in der Literatur im Einzelnen umstritten.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000 EUR festgesetzt.