BGH: Zur Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch „Autocomplete“-Funktion – VI ZR 269/12

BGH, Urteil vom 14. 5. 2013 – VI ZR 269/12; OLG Köln

ZPO § 32; EGBGB Art. 40 Abs. 1 Satz 2; BGB § 823 Abs. 1, § 1004

Der BGH trifft Feststellungen zur Haftung des Betreibers einer Suchmaschine gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i. V. m. Art. 1, 2 GG wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

Gibt ein Nutzer seinen Namen in die Suchmaske ein und werden ihm im Zuge dessen durch eine Suchwortergänzungs-Funktion („Autocomplete“) negativ behaftete Suchwortkombinationen angezeigt, liegt eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor.

Voraussetzung einer Störerhaftung des Betreibers der Suchmaschine ist (ebenso wie bei der Haftung eines Hostproviders wegen der Verbreitung einer in einem Blog enthaltenen Äußerung eines Dritten) eine Verletzung von Prüfungspflichten. Diese verpflichten den Betreiber der Suchmaschine zwar grundsätzlich nicht dazu, die durch eine Software generierten Suchergänzungsvorschläge generell vorab auf etwaige Rechtsverletzungen zu überprüfen. Weist ein Betroffener den Betreiber der Suchmaschine jedoch auf eine rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hin, ist der Betreiber der Suchmaschine verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern.

Leitsätze des Gerichts

a) Nimmt ein Betroffener den Betreiber einer Internet-Suchmaschine mit Suchwortergänzungsfunktion auf Unterlassung der Ergänzung persönlichkeitsrechtsverletzender Begriffe bei Eingabe des Namens des Betroffenen in Anspruch, setzt die Haftung des Betreibers die Verletzung zumutbarer Prüfpflichten voraus.

b) Der Betreiber ist grundsätzlich erst verantwortlich, wenn er Kenntnis von der rechtswidrigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts erlangt.

c) Weist ein Betroffener den Betreiber auf eine rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hin, ist der Betreiber verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern.

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2013 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin von Pentz für Recht erkannt:

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 10. Mai 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

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Tatbestand: Die Klägerin zu 1, eine Aktiengesellschaft, die im Internet über ein „Network-Marketing-System“ Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika vertreibt, sowie der Kläger zu 2, ihr Gründer und Vorstandsvorsitzender, machen gegen die Beklagte mit Sitz in den USA, die unter der Internetadresse „www. google. de“ eine Internet-Suchmaschine betreibt, Unterlassungs- und Geldentschädigungsansprüche geltend. Durch Eingabe von Suchbegriffen in die Suchmaschine der Beklagten können Nutzer über eine angezeigte Trefferliste auf von Dritten ins Internet eingestellte Inhalte Zugriff nehmen. Seit April 2009 hat die Beklagte eine „Autocomplete“ -Funktion in ihre Suchmaschine integriert, mit deren Hilfe dem Internetnutzer während der Eingabe seiner Suchbegriffe variierend mit der Reihenfolge der eingegebenen Buchstaben in einem sich daraufhin öffnenden Fenster automatisch verschiedene Suchvorschläge („predictions“) in Form von Wortkombinationen angezeigt werden. Die im Rahmen dieser Suchergänzungsfunktion angezeigten Suchvorschläge werden auf der Basis eines Algorithmus ermittelt, der u. a. die Anzahl der von anderen Nutzern eingegebenen Suchanfragen einbezieht.

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Der Kläger zu 2 stellte im Mai 2010 fest, dass bei Eingabe seines Namens R. S. in dem sich im Rahmen der „Autocomplete“ -Funktion öffnenden Fenster als Suchvorschläge die Wortkombinationen „R. S. (voller Name) Scientology“ und „R. S. (voller Name) Betrug“ erschienen. Dadurch sehen sich die Kläger in ihrem Persönlichkeitsrecht und geschäftlichen Ansehen verletzt. Sie haben u. a. behauptet, der Kläger stehe weder in irgendeinem Zusammenhang mit Scientology noch sei ihm ein Betrug vorzuwerfen noch ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden. In keinem einzigen Suchergebnis sei eine Verbindung zwischen dem Kläger und „Scientology“ bzw. „Betrug“ ersichtlich.

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Die Kläger haben zunächst im Beschlusswege eine einstweilige Verfügung vom 12. Mai 2010 erwirkt, durch die der Beklagten untersagt wurde, auf der Internetseite ihrer Suchmaschine nach Eingabe des Namens des Klägers zu 2 als Suchbegriff im Rahmen der „Autocomplete“ -Funktion die ergänzenden Kombinationsbegriffe „Scientology“ und „Betrug“ vorzuschlagen. Nach der Zustellung der Beschlussverfügung an die damalige administrative Ansprechpartnerin der Beklagten in Deutschland am 27. Mai 2010 erschienen die beanstandeten Ergänzungsvorschläge nicht mehr. Die Beklagte hat eine Abschlusserklärung verweigert. Im vorliegenden Hauptsacheverfahren verlangen die Kläger über das bereits im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes geltend gemachte Unterlassungsbegehren hinaus Ersatz vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten und der Kläger zu 2 zusätzlich die Zahlung einer Geldentschädigung. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.

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Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht (Urteil veröffentlicht u. a. in GRUR-RR 2012, 486 und ZUM 2012, 987 m. Anm. Seitz) hat sowohl die internationale Zuständigkeit als auch die Anwendbarkeit deutschen Rechts bejaht. Es hat jedoch die Klage nicht als begründet erachtet, weil den automatisierten Suchergänzungsvorschlägen in der Suchmaschine der Beklagten bei Eingabe des Namens des Klägers zu 2 kein eigener Aussagegehalt beizumessen sei. Die angezeigten Suchergänzungsbegriffe „R. S. Scientology“ und „R. S. Betrug“ enthielten keine (eigene) Aussage der Beklagten mit dem Inhalt, dass R. S. Mitglied bei Scientology sei oder dieser Sekte zumindest positiv gegenüberstehe oder Täter oder Teilnehmer eines Betruges sei. Es begegne bereits Zweifeln, ob den Begriffskombinationen überhaupt eine solche Konnotation bzw. ein insofern aus sich heraus verständlicher Sinngehalt beigemessen werden könne. Letztlich könne dies indessen offenbleiben, da es nach dem Erfahrungshorizont der Nutzer der Suchmaschine der Beklagten fernliege, die streitgegenständlichen Ergänzungssuchbegriffe als Äußerungen zu verstehen, mit denen inhaltliche Bezüge zwischen dem eingegebenen Suchbegriff und den dazu angezeigten Ergänzungsvorschlägen durch die Beklagte hergestellt würden. Eine hiervon abweichende Würdigung ergebe sich weder aus den von den Klägern vorgebrachten Manipulationsversuchen noch aus Presseberichterstattungen über ähnliche Vorgänge noch aus den Ergebnissen der von den Klägern zur Akte gereichten Verkehrsbefragung. Ein Anlass für die von den Klägern beantragte Einholung eines demoskopischen Sachverständigengutachtens bestehe nicht, da die Mitglieder des erkennenden Senats zu dem angesprochenen Adressatenkreis, nämlich dem unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsrezipienten der streitgegenständlichen Ergänzungssuchbegriffe, gehörten. Aus Sicht eines solchen Durchschnittsrezipienten lasse sich der Anzeige der Ergänzungssuchbegriffe lediglich die eigene Aussage der Suchmaschine der Beklagten entnehmen, dass andere vorherige Nutzer die gewählten Begriffskombinationen zur Recherche eingegeben hätten oder dass sich die Ergänzungssuchbegriffe in verlinkten Drittinhalten jeweils als solche auffinden ließen. Diese Aussage sei wahr und daher von den Klägern hinzunehmen.

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II. Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

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1. Das Berufungsgericht hat allerdings mit Recht die Klage für zulässig erachtet.

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a) Zutreffend hat das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte in entsprechender Anwendung des § 32 ZPO bejaht.

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Zwar genügt es nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Begründung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte im Rahmen des § 32 ZPO nicht, dass der Kläger den Mittelpunkt seiner Interessen im Inland hat; erforderlich ist vielmehr, dass die als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen – Interesse des Klägers an der Achtung seines Persönlichkeitsrechts einerseits, Interesse des Beklagten an der Gestaltung seines Internetauftritts andererseits – nach den Umständen des konkreten Falles, insbesondere aufgrund des Inhalts der konkreten Meldung, im Inland tatsächlich eingetreten ist oder eintreten kann (vgl. Senatsurteile vom 29. März 2011 – VI ZR 111/10, NJW 2011, 2059 und vom 2. März 2010 – VI ZR 23/09, BGHZ 184, 313). Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Streitfall gegeben, da eine Kenntnisnahme der beanstandeten Suchergänzungsvorschläge im Inland erheblich näher liegt als es aufgrund der bloßen Abrufbarkeit der Meldung der Fall wäre und die von den Klägern geltend gemachte Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts durch Kenntnisnahme der Suchergänzungsvorschläge auch im Inland eintreten würde. Im Übrigen ergibt sich die Zuständigkeit entsprechend § 39 ZPO auch aufgrund rügeloser Einlassung (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1987 – II ZR 280/86, BGHZ 101, 296, 301).

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b) Das Berufungsgericht hat den – auch die alternative Verwendung der streitgegenständlichen Ergänzungsbegriffe umfassenden – Unterlassungsantrag für hinreichend bestimmt angesehen im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das nimmt die Revision als ihr günstig hin und begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken.

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2. Die Begründetheit der Klage kann jedoch – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen nicht verneint werden.

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a) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler deutsches Recht angewandt. Nach Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegen Ansprüche aus unerlaubter Handlung grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat. Der Verletzte kann jedoch nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 und 3 EGBGB im ersten Rechtszug bis zum Ende des frühen ersten Termins oder dem Ende des schriftlichen Vorverfahrens verlangen, dass anstelle dieses Rechts das Recht des Staates angewandt wird, in dem der Erfolg eingetreten ist. Von dieser Möglichkeit haben die Kläger im Streitfall Gebrauch gemacht.

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Der nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB maßgebliche Erfolgsort liegt in Deutschland. Hier wird die Achtung des in Deutschland wohnhaften Klägers zu 2 bzw. der Klägerin zu 1 mit Sitz in Deutschland gestört bzw. gefährdet (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 – VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 31 – auch zur Nichtanwendbarkeit der Rom II-Verordnung (Rn. 22) und zu § 3 TMG als sachlichrechtliches Beschränkungsverbot (Rn. 30)).

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b) Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Kläger entsprechend §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i. V. m. Artt. 1, 2 GG gegen die Beklagte als Betreiberin der Internet-Suchmaschine rechtsfehlerhaft verneint.

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aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts beinhalten die Suchwortergänzungsvorschläge „Scientology“ und „Betrug“ bei Eingabe des Vor- und Zunamens des Klägers zu 2 in die Internet-Suchmaschine der Beklagten eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Kläger, da ihnen ein verletzender Aussagegehalt innewohnt.

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(1) Der mit dem Begriff „Scientology“ in Verbindung mit dem Namen einer real existierenden Person zum Ausdruck gebrachte Sinngehalt lässt sich wie schon das Berufungsgericht in Betracht gezogen hat – hinreichend dahin spezifizieren, dass zwischen dieser Sekte, zu der im Verkehr nicht zuletzt durch eine vorangegangene Medienberichterstattung konkrete Vorstellungen existieren, und der namentlich erwähnten Person eine Verbindung besteht. Diese Verbindung ist geeignet, eine aus sich heraus aussagekräftige Vorstellung hervorzurufen.

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(2) Dem Berufungsgericht kann nicht gefolgt werden, soweit es dem Begriff des Betrugs eine inhaltliche Aussagekraft mit der Begründung absprechen will, dass mit diesem Begriff ein vielfältiges, unspezifisches Bedeutungsspektrum verbunden sei. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums (vgl. BVerfGE 93, 266, 295). Zwar mag es zutreffen, dass von einem durchschnittlichen Internetnutzer unter „Betrug“ nicht die Verwirklichung eines rechtlich präzise bestimmten Straftatbestandes verstanden werden muss.

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Jedoch verbindet der Durchschnittsleser mit der Verwendung dieses Begriffes zumindest ein sittlich vorwerfbares Übervorteilen eines anderen und verleiht ihm damit einen hinreichend konkreten Aussagegehalt (vgl. BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 42).

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(3) Das Berufungsgericht hat den von der Suchmaschine der Beklagten angezeigten Ergänzungssuchvorschlägen lediglich die Aussage entnommen, dass andere vorherige Nutzer die gewählten Begriffskombinationen zur Recherche eingegeben haben oder dass sich die Ergänzungssuchbegriffe in verlinkten Drittinhalten auffinden lassen (vgl. auch Härting K & R 2012, 633; Heckmann AnwZert ITR 18/2012 Anm. 1; Brosch AnwZert ITR 20/2012 Anm. 2; a. A. Weltig MMR 2011 Nr. 12 V f.; Seitz ZUM 2012, 994, 995 f.; s. auch Meyer K & R 2013, 221, 225 f. mwN auch zur Rechtsprechung ausländischer Gerichte). Dem vermag der Senat nicht beizutreten.

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Der mittels der Suchmaschine der Beklagten nach Informationen forschende Internetnutzer erwartet von den ihm nach der Eingabe des Suchbegriffs angezeigten ergänzenden Suchvorschlägen durchaus einen inhaltlichen Bezug zu dem von ihm verwandten Suchbegriff, hält ihn jedenfalls für möglich.

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Aus dem „Ozean von Daten“ werden dem suchenden Internetnutzer von der Suchmaschine der Beklagten nicht x-beliebige ergänzende Suchvorschläge präsentiert, die nur zufällig „Treffer“ liefern. Die Suchmaschine ist, um für Internetnutzer möglichst attraktiv zu sein – und damit den gewerblichen Kunden der Beklagten ein möglichst großes Publikum zu eröffnen – auf inhaltlich weiterführende ergänzende Suchvorschläge angelegt. Das algorithmusgesteuerte Suchprogramm bezieht die schon gestellten Suchanfragen ein und präsentiert dem Internetnutzer als Ergänzungsvorschläge die Wortkombinationen, die zu dem fraglichen Suchbegriff am häufigsten eingegeben worden waren. Das geschieht in der – in der Praxis oft bestätigten – Erwartung, dass die mit dem Suchbegriff bereits verwandten Wortkombinationen – je häufiger desto eher – dem aktuell suchenden Internetnutzer hilfreich sein können, weil die zum Suchbegriff ergänzend angezeigten Wortkombinationen inhaltliche Bezüge widerspiegeln.

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Diese Erwartung hat das Berufungsgericht bei der Bestimmung des Aussagegehalts der von der Suchmaschine der Beklagten angezeigten Ergänzungssuchvorschläge nicht berücksichtigt. Sie führt im Streitfall dazu, dass den bei Eingabe von Vor- und Zuname des Klägers zu 2 „automatisch“ angezeigten Ergänzungssuchvorschlägen „r. s. scientology“ und „r. s. betrug“ die Aussage zu entnehmen ist, zwischen dem Kläger zu 2 und den – negativ konnotierten – Begriffen „Scientology“ und/oder „Betrug“ bestehe ein sachlicher Zusammenhang.

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bb) Diese Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Kläger ist der Beklagten auch unmittelbar zuzurechnen. Sie hat mit dem von ihr geschaffenen Computerprogramm das Nutzerverhalten ausgewertet und den Benutzern der Suchmaschine die entsprechenden Vorschläge unterbreitet. Die Verknüpfungen der Begriffe werden von der Suchmaschine der Beklagten und nicht von einem Dritten hergestellt. Sie werden von der Beklagten im Netz zum Abruf bereitgehalten und stammen deshalb unmittelbar von ihr.

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c) Daraus folgt allerdings noch nicht, dass die Beklagte für jede Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung durch Suchvorschläge haftet.

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aa) Zwar ist die Beklagte nicht bereits nach § 10 Telemediengesetz (künftig: TMG) von der Verantwortlichkeit für den Inhalt der von ihr betriebenen Website befreit.

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Das Berufungsgericht hat die Beklagte zutreffend als Diensteanbieter (§ 2 Satz 1 Nr. 1 TMG) qualifiziert, der eigene Informationen zur Nutzung bereit hält und deshalb gemäß § 7 Abs. 1 TMG nach den allgemeinen Gesetzen mithin auch nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB – verantwortlich ist (vgl. Senatsurteil vom 23. Juni 2009 – VI ZR 196/08, BGHZ 181, 328 Rn. 13 f. s. auch Heckmann, aaO; a. A. Brosch, aaO). Die Kläger nehmen die Beklagte nicht wegen der Durchleitung, Zwischenspeicherung oder Speicherung fremder Informationen, sondern wegen einer eigenen Information in Anspruch, konkret wegen der als Ergebnisse ihres Autocomplete-Hilfsprogramms dem Nutzer ihrer Internet- Suchmaschine angezeigten Suchwortergänzungsvorschläge. Es geht mithin um einen von der Suchmaschine der Beklagten angebotenen „eigenen“ Inhalt und nicht um das Zugänglichmachen und/oder Präsentieren von Fremdinhalten, für die der Diensteanbieter gemäß §§ 8 bis 10 TMG nur eingeschränkt verantwortlich ist.

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bb) Es bedarf aber wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts einer Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind (vgl. Senatsurteile vom 9. Dezember 2003 – VI ZR 373/02, VersR 2004, 522, 523; vom 11. März 2008 – VI ZR 189/06, VersR 2008, 695 Rn. 13 und – VI ZR 7/07, VersR 2008, 793 Rn. 12; vom 3. Februar 2009 – VI ZR 36/07, VersR 2009, 555 Rn. 17; vom 22. September 2009 – VI ZR 19/08, VersR 2009, 1545 Rn. 16; vom 20. April 2010 – VI ZR 245/08, NJW 2010, 2728 Rn. 12; BVerfGE 114, 339, 348 mwN; 120, 180, 200 f.; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 17; AfP 2009, 480 Rn. 61). Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 21. Juni 2005 – VI ZR 122/04, VersR 2005, 1403, 1404; vom 17. November 2009 – VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 20 ff. mwN; vom 15. Dezember 2009 – VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 11 – Onlinearchiv I; vom 9. Februar 2010 – VI ZR 243/08, VersR 2010, 673 Rn. 14 – Onlinearchiv II und vom 20. April 2010 – VI ZR 245/08, aaO).

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cc) Danach sind das Interesse der Kläger am Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte einerseits und die durch Artt. 2, 5 Abs. 1 und 14 GG geschützten Interessen der Beklagten auf Meinungs- und wirtschaftliche Handlungsfreiheit andererseits abzuwägen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Suchmaschinenfunktion zwar in ihrem eigenen geschäftlichen Interesse in der beschriebenen Weise betreibt, um Nutzer wegen der Effektivität der Suche an sich zu binden. Doch ziehen die Nutzer ihrerseits daraus den Vorteil einer begriffsorientierten Suche nach Daten und Informationen. Auch die Kläger wenden sich nicht dagegen, dass mittels der Suchmaschine persönliche Daten, wie der Name des Klägers zu 2 und sein Bezug zur Klägerin zu 1, aufgefunden werden können. Auf Seiten der Kläger ist für die Abwägung entscheidend, dass die verknüpften Begriffe einen unwahren Aussagegehalt haben, weil der Kläger zu 2 wovon nach dem Vortrag der Kläger revisionsrechtlich auszugehen ist – weder in Verbindung mit einem Betrug gebracht werden kann noch Scientology angehört oder auch nur nahe steht. Äußerungen von unwahren Tatsachen müssen nicht hingenommen werden (vgl. Senatsurteile vom 8. Mai 2012 – VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 37; vom 30. Oktober 2012 – VI ZR 4/12, VersR 2013, 63, Rn. 12, jeweils mwN; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62 mwN; NJW 2012, 1500 Rn. 39).

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d) Ist mithin nach den vorstehenden Grundsätzen davon auszugehen, dass die beanstandeten Suchwortergänzungsvorschläge das Persönlichkeitsrecht der Kläger verletzen, kann eine Haftung der Beklagten als Störerin nicht von vornherein verneint werden.

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aa) Als Störer im Sinne von § 1004 BGB ist – ohne Rücksicht darauf, ob ihn ein Verschulden trifft – jeder anzusehen, der die Störung herbeigeführt hat oder dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten lässt. Sind bei einer Beeinträchtigung mehrere Personen beteiligt, so kommt es für die Frage, ob ein Unterlassungsanspruch gegeben ist, grundsätzlich nicht auf Art und Umfang des Tatbeitrags oder auf das Interesse des einzelnen Beteiligten an der Verwirklichung der Störung an. Im Allgemeinen ist ohne Belang, ob er sonst nach der Art seines Tatbeitrags als Täter oder Gehilfe anzusehen wäre (vgl. Senat, Urteile vom 3. Februar 1976 – VI ZR 23/72, NJW 1976, 799, 800; vom 27. Mai 1986 – VI ZR 169/85, VersR 1986, 1075, 1076; vom 9. Dezember 2003 – VI ZR 373/02, VersR 2004, 522, 524). Als (Mit-) Störer kann auch jeder haften, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte.

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Dem negatorischen Unterlassungsbegehren steht nicht entgegen, dass dem in Anspruch Genommenen die Kenntnis der die Tatbestandsmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit begründenden Umstände fehlt. Ebenso ist Verschulden nicht erforderlich (vgl. Senatsurteile vom 30. Juni 2009 – VI ZR 210/08, VersR 2009, 1417 Rn. 13, vom 9. Dezember 2003 – VI ZR 373/02, aaO mwN; BGH, Urteil vom 17. Dezember 2010 – V ZR 44/10, NJW 2011, 753 Rn. 9 ff.; Diederichsen, FS Müller, 2009 S. 507, 523).

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bb) Das bedeutet jedoch nicht, dass die Beklagte deshalb uneingeschränkt und unabhängig von Zumutbarkeitsgesichtspunkten haftet. Denn nach den besonderen Umständen des Streitfalles liegt der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in einem Unterlassen.

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(1) Das Entwickeln und die Verwendung der die Suchvorschläge erarbeitenden Software ist der Beklagten nicht vorzuwerfen; hierbei handelt es sich vielmehr um eine durch Artt. 2, 14 GG geschützte wirtschaftliche Tätigkeit. Das Suchmaschinenangebot der Beklagten zielt auch nicht von vornherein auf eine Rechtsverletzung durch eine gegen eine bestimmte Person gerichtete unwahre Tatsachenbehauptung ab. Nur durch das Hinzutreten eines bestimmten Nutzerverhaltens können ehrverletzende Begriffsverbindungen entstehen. Die Tätigkeit der Beklagten ist andererseits aber nicht nur rein technischer, automatischer und passiver Art (anders liegen die Fälle: Google France/Louis Vuitton EuGH, Urteil vom 23. März 2010 – C-236/08 bis C-238/08, NJW 2010, 2029 Rn. 114 und BGH, Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 69/08, BGHZ 185, 291 Rn. 39 – Vorschaubilder – jeweils zum Hostprivileg nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG). Sie ist nicht ausschließlich beschränkt auf die Bereitstellung von Informationen für den Zugriff durch Dritte. Die Beklagte verarbeitet vielmehr die Abfragedaten der Nutzer in einem eigenen Programm, das Begriffsverbindungen bildet. Für deren Angebot in Form eigener Suchvorschläge ist die Beklagte grundsätzlich aufgrund der ihr zuzurechnenden Erarbeitung verantwortlich. Der Beklagten kann deshalb grundsätzlich nur vorgeworfen werden, keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen zu haben, um zu verhindern, dass die von der Software generierten Suchvorschläge Rechte Dritter verletzen.

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(2) Bei Beeinträchtigungen, die eine pflichtwidrige Unterlassung als (Mit-) Ursache haben, ist zur Vermeidung einer zu weitgehenden Haftung eine fallweise wertende Betrachtung erforderlich. Die Verantwortlichkeit des Unterlassenden wird durch die Kriterien der Möglichkeit und Zumutbarkeit der Erfolgsverhinderung begrenzt.

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Dabei kann sich die Möglichkeit der Beseitigung einer Beeinträchtigung daraus ergeben, dass der Betroffene die Quelle der Störung beherrscht oder Einfluss auf jemanden nehmen kann, der zur Beendigung der Beeinträchtigung in der Lage ist (Erman/Ebbing, BGB, 13. Aufl., § 1004 Rn. 120). Ist dies der Fall, kann für die Zumutbarkeit der Beseitigung der Beeinträchtigung eine dem Betroffenen obliegende Überwachungspflicht von Bedeutung sein (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1960 – GSZ 1/60, BGHZ 34, 99, 108 f.).

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Voraussetzung einer Haftung des Betreibers einer Suchmaschine mit entsprechender Hilfsfunktion ist daher ebenso wie bei der Haftung eines Hostproviders wegen der Verbreitung einer in einem Blog enthaltenen Äußerung eines Dritten (vgl. hierzu Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219) eine Verletzung von Prüfungspflichten. Deren Bestehen wie deren Umfang richtet sich im Einzelfall nach einer Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen. Überspannte Anforderungen dürfen im Hinblick darauf, dass es sich um eine erlaubte Teilnahme am geschäftlichen Verkehr handelt, nicht gestellt werden. Entsprechend den zur Störerhaftung entwickelten Grundsätzen kommt es entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH, Urteile vom 12. Juli 2007 – I ZR 18/04, BGHZ 173, 188 Rn. 38; vom 10. Oktober 1996 – I ZR 129/94, NJW 1997, 2180, 2181 f. = WRP 1997, 325 – Architektenwettbewerb; Urteil vom 17. Mai 2001 – I ZR 251/99, BGHZ 148, 13, 17 f. – ambiente. de; Urteil vom 11. März 2004 – I ZR 304/01, BGHZ 158, 236, 251 – Internetversteigerung I, vom 17. Dezember 2010 – V ZR 44/10, NJW 2011, 753 Rn. 9 ff., jeweils mwN).

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Der Betreiber einer Suchmaschine ist danach grundsätzlich nicht verpflichtet, die durch eine Software generierten Suchergänzungsvorschläge generell vorab auf etwaige Rechtsverletzungen zu überprüfen. Dies würde den Betrieb einer Suchmaschine mit einer der schnellen Recherche der Nutzer dienenden Suchergänzungsfunktion wenn nicht gar unmöglich machen, so doch unzumutbar erschweren. Eine entsprechende präventive Filterfunktion kann zwar für bestimmte Bereiche, wie etwa Kinderpornographie, erforderlich und realisierbar sein, sie vermag jedoch nicht allen denkbaren Fällen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung vorzubeugen. Den Betreiber einer Internet- Suchmaschine trifft deshalb grundsätzlich erst dann eine Prüfungspflicht, wenn er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Betreiber einer Internet-Suchmaschine auf eine rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hin, ist der Betreiber der Suchmaschine verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern (vgl. Senatsurteil vom 27. März 2012 – VI ZR 144/11, VersR 2012, 992 Rn. 19).

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3. Das Berufungsgericht hat – aus seiner Sicht folgerichtig – eine rechtliche Würdigung unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Prüfungspflichten ebenso wenig vorgenommen wie unter dem Gesichtspunkt des – nur in engen Grenzen zu gewährenden (vgl. Senatsurteil vom 20. März 2012 – VI ZR 123/11, VersR 2012, 630 Rn. 15 mwN) – Anspruchs auf Geldentschädigung und des Anspruchs auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Dies wird es nachzuholen haben.