AG Winsen (Luhe) – Rüge beschädigt gelieferter Ware durch Kaufmann erst nach 12 Tagen führt zum Ausschluss der Gewährleistung

AG Winsen (Luhe) – Urteil vom 28.02.2024, 23 C 678/23 (nicht rechtskräftig)

Erhält ein Kaufmann im Rahmen eines Handelsgeschäfts ein Display in beschädigter Verpackung geliefert und rügt einen Mangel des Displays erst nach 12 Tagen, ist er mit seinen Gewährleistungsansprüchen aufgrund der Verletzung der aus § 377 Abs. 1 HGB folgenden Rügeobliegenheit ausgeschlossen.

Der Beweisantritt „Zeugnis NN“ ist kein tauglicher Beweisantritt.

Volltext des Urteils (hier als PDF downloaden)

Tenor

hat das Amtsgericht Winsen (Luhe) auf die mündliche Verhandlung vom 21.02.2024 durch die Richterin am Amtsgericht […] für Recht erkannt:

1) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.634,77 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.12.2022 und weitere 367,23 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.12.2023 zu zahlen.

2) Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger betreibt unter der Bezeichnung […] ein Handelsgewerbe. Am 02.11.2022 bestellte die Beklagte über die Plattform Amazon ein Display zum Preis von 2.634,77 €. Bei Anlieferung am 09.11.2022 bestätigte der Geschäftsführer der Beklagten dem Frachtführer auf dem Ablieferungsbeleg durch seine Unterschrift, das Display ohne Beschädigung erhalten zu haben. Die Rechnung des Klägers vom 07.11.2022 über 2.634,77 € wurde von der Beklagten zunächst gezahlt. Am 21.11.2022 meldete sich eine Mitarbeiterin der Beklagten per E-Mail beim Kläger und behauptete unter Vorlage von Fotos, das Display sei defekt geliefert worden. Zwei der von der Beklagten übersandten Fotos zeigen das noch verpackte Display. Die Verpackung wies erhebliche Beschädigung an einer der oberen Ecken auf. Ein weiteres Foto zeigte den Teil eines Displays im unverpackten Zustand, wobei in der Mitte und am rechten Rand des Monitors erhebliche Beschädigungen sichtbar sind. Amazon erstattete der Beklagten den Kaufpreis zurück. Der Kläger ließ daraufhin die Beklagte über Creditreform zur Kaufpreiszahlung auffordern, jedoch ohne Erfolg. Auch die Einschaltung ihres Prozessbevollmächtigten, welcher erneut Zahlung anmahnte, blieb erfolglos. Für das vorgerichtliche Tätigwerden seiner Prozessbevollmächtigt musste der Kläger 367,23 € aufwenden.

Der Kläger beantragt, mit der am 06.12.2023 zugestellten Klage,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.634,77 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.12.2022 und weitere 367,23 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt Klagabweisung.

Sie behauptet, Anfang November 2022 sei die Beklagte mit der dringlichen Abarbeitung von diversen Aufträgen beschäftigt gewesen, daher sei zunächst eine Untersuchung unterblieben. Zudem habe der Fahrer auf sofortiger Quittierung bestanden. Erst bei Bearbeitung des Kundenauftrags sei die äußere Beschädigung der Verpackung aufgefallen, die fotografisch dokumentiert worden sei. Die Beschädigung an dem Display des Fernsehers sei nicht von der Beklagten oder anderen Personen, die für die Beklagte tätig sind, herbeigeführt worden. Diesen Vortrag stellt die Beklagte in das Wissen des Zeugen NN.

Der Geschäftsführer der Beklagten hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgetragen, man habe im Beisein des Fahrers den Karton geöffnet, aber keine Beschädigung an den Stellen festgestellt, an denen der Karton eingedrückt war. Der Schaden sei sehr klein gewesen und nur bei Helligkeit und nach Abziehen der Schutzfolie zu erkennen gewesen.

Die Beklagte ist der Ansicht, eine Rüge nach zwölf Tagen sei noch als unverzüglich im Sinne des § 377 HGB [Anm.: im Urteil heisst es hier versehentlich: HGW] anzusehen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2024 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten Zahlung von 2.634,77 € aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag verlangen. Dem steht nicht entgegen, dass das Display unstreitig einen Schaden aufweist. Denn die Ware gilt nach § 377 HGB als genehmigt. Hiernach hat ein Kaufmann die Ware unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern zu untersuchen und Mängel umgehend zu melden. Dabei ist es von der Ware abhängig, was unter unverzüglich zu verstehen ist. Soweit es sich nicht um verderbliche Ware handelt, hat eine Untersuchung und Rüge im Regelfall spätestens nach einer Woche zu erfolgen, bei verdeckten Mängeln unverzüglich nach Entdeckung.

Die Beklagte hat sich erst 12 Tage nach Ablieferung an den Kläger gewandt. Soweit die Beklagte angibt, sie sei zuvor mit dringlicheren Aufträgen befasst gewesen, entlastet sie dies nicht. Ein Kaufmann muss seine Abläufe so gestalten, dass im Interesse der Rechtssicherheit eine umgehende Prüfung gewährleistet ist. Dies gilt umso mehr, als die Verpackung beschädigt war. Es handelte sich auch nicht um einen verdeckten Mangel. Auf dem von der Beklagten eingereichten Lichtbild ist der Schaden deutlich sichtbar, insoweit hätte der Beklagten auch das Abziehen der Schutzfolie oblegen.

Selbst wenn dies anders zu beurteilen wäre, stünde der Klägerin der Kaufpreis zu, weil die Beklagte den unbeschädigten Erhalt der Ware quittiert hat. Dass der Fahrer eine Quittung verlangt haben soll, entlastet die Beklagte ebenfalls nicht. Sofern sie zu Unrecht quittiert, dass die Ware in Ordnung ist, muss sie nachweisen, dass der Schaden gleichwohl bereits vorhanden war und nicht in ihrem Bereich entstanden ist. Der Beweisantritt „Zeugnis NN“ ist jedoch kein tauglicher Beweisantritt.

Die zugesprochenen Zinsen rechtfertigen sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges, Gleiches gilt für die zugesprochenen Rechtsanwaltskosten.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.