LG Düsseldorf: Nötigendes Popup beim Online-Banking

Die beklagte Targobank AG hatte den Zugriff auf das Online-Banking davon abhängig gemacht, dass der Kunde eine Entscheidung über die Zustimmung oder Ablehnung zum aktuellen Stand der AGB trifft. Im Text des Popups hatte die Bank zwar darauf hingewiesen, dass das Online-Banking – egal wie der Kunde sich entscheide – wie gewohnt nutzbar bleibe. Gleichzeitig hatte sie aber auch erklärt, dass der Kunde der Bank eine wichtige Grundlage für die Geschäftsbeziehung entziehe, wenn er nicht zustimme. Das Landgericht Düsseldorf wertet das Verhalten der Bank als aggressive geschäftliche Handlung in Form einer Nötigung.

LG Düsseldorf, Urteil vom 13.09.2023, 12 O 78/22

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Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken an den Mitgliedern ihres Vorstands, zu unterlassen,

im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, in Bezug auf privat geführte Konten und Depots, im Internet, beim Aufruf des Online-Banking-Bereiches unter der URL www.targobank.de

ein Pop-up-Fenster vorzuhalten, in dem Verbraucher ihre Zustimmung oder Ablehnung zu den aktuellen Geschäftsbedingungen und dem Preis- und Leistungsverzeichnis der Beklagten durch einen Klick auf einen mit den Worten „Stimme zu“ oder „Stimme nicht zu“ beschrifteten Button erklären müssen, um das Online-Banking weiter nutzen zu können, wenn dies erfolgt, wie in Anlage K 1 abgebildet.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 260,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.07.2022 zu zahlen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des Tenors zu I. (Unterlassung) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,00 € und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der klagende Verband macht Unterlassung und Ersatz von Abmahnkosten wegen angeblicher Wettbewerbsverstöße der Beklagten geltend. Der Kläger ist der Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen und 28 weitererverbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland. Er wird vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz institutionell gefördert. Gemäß § 2 seiner Satzung bezweckt der Kläger, Verbraucherinteressen wahrzunehmen, den Verbraucherschutz zu fördern, die Stellung des Verbrauchers in der sozialen Marktwirtschaft zu stärken und zur Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen, indem er u.a. Verstöße gegen verbraucherschützende Vorschriften, insbesondere das Unterlassungsklagengesetz (UKlaG), das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sowie verbraucherrelevante Datenschutzvorschriften durch geeignete Maßnahmen kollektiven Rechtsschutzes sowohl national als auch international unterbindet. Der Kläger ist in der vom Bundesamt für Justiz in Bonn geführten Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen.

Die Beklagte bietet – auch gegenüber Verbrauchern – Bankdienstleistungen, wie z.B. die Bereitstellung und Nutzung von Girokonten gegen Entgelt, an. Die Girokonten können von Verbrauchern auch im Wege des Online-Bankings geführt werden. Hierzu hält die Beklagte auf ihrer Internetseite eine Login-Seite bereit, auf der sich die Kunden mit ihrem Benutzernamen und ihrem Passwort anmelden können.

Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt nach Erlass des BGH-Urteils zum Az. XI ZR 26/20 am 27.04.2021 forderte die Beklagte ihre Kunden im Rahmen des Login-Verfahrens mit dem nachfolgend eingeblendeten Pop-Up-Fensters auf, der Geltung ihrer aktuellen Geschäftsbedingungen und ihres Preis- und Leistungsverzeichnis zuzustimmen, um das Online-Banking nutzen zu können (Anlage K 1):

LG Düsseldorf: Nötigendes Popup beim Online-Banking

Dort hieß es:

„… in einem aktuellen Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) die bisher üblichen, einfachen Regeln zu Vertragsänderungen für ungültig erklärt. Hierüber haben wir Sie bereits informiert. Aufgrund des BGH-Urteils benötigen wir Ihre Zustimmung zum aktuellen Stand unserer Geschäftsbedingungen und zu unserem Preis- und Leistungsverzeichnis. Es bleibt dabei: An den Ihnen zuletzt mitgeteilten Preisen und Leistungen ändert sich nichts.

Zu Ihrer Information: Ihre Zustimmung gilt für alle Ihre privaten TARGOBANK Konten und Depots, unabhängig davon, ob es sich um Einzel- oder Gemeinschaftskonten/-depots handelt. Die im Rahmen eines Gemeinschaftskontos/-depots erteilte Zustimmung gilt für Sie und den Mitkonto-bzw. Mitdepotinhaber. Wir gehen insofern von einer wechselseitigen Bevollmächtigung aus. Liegen uns von jedem Konto- bzw. Depotinhaber einzelne Erklärungen vor, gelten selbstverständlich die jeweiligen Erklärungen jedes Einzelnen.

Wichtig: Egal wie Sie sich entscheiden, Ihr Online-Banking bleibt wie gewohnt für Sie nutzbar.

Falls Sie nicht zustimmen, entziehen Sie uns eine wichtige Grundlage in der gemeinsamen Geschäftsbeziehung. In diesem Fall werden wir nochmals auf Sie zukommen, um gemeinsam eine Lösung zu finden.“

Dieses Pop-Up-Fenster konnte nicht anderweitig geschlossen werden als durch Anklicken der Schaltflächen „Stimme nicht zu“ oder „Stimme zu“.

Grund für die Abfrage im Rahmen des Pop-Up-Fensters war, dass Banken seit dem BGH-Urteil vom 27.04.2021 verpflichtet sind, die Zustimmung ihrer Kunden bei AGB-Änderungen und/oder Änderungen des Preis- und Leistungsverzeichnisses einzuholen. In Abänderung seiner vorherigen ständigen Rechtsprechung entschied der BGH, dass Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank unwirksam sind, die ohne inhaltliche Einschränkung die Zustimmung des Kunden zu Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Sonderbedingungen fingieren.

Der Kläger mahnte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 27.10.2021 (Anlage K 2) wegen unzumutbarer Belästigung und aggressiver geschäftlicher Handlung ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Diese Forderung wies die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 03.11.2021 (Anlage K 3) zurück.

Der Kläger ist der Ansicht, es liege eine aggressive geschäftliche Handlung (§ 4a UWG) und/oder eine unzumutbare Belästigung (§ 7 UWG) vor. Dadurch, dass die Kunden während des Einlog-Vorgangs in der Situation bei Erscheinen des Pop-up-Fensters gezwungen seien, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, um die vertraglich geschuldete Leistung weiterhin in Anspruch nehmen zu können, liege eine Belästigung der Verbraucher im Sinne von § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG und § 7 UWG vor. Soweit die Beklagte darauf verwiesen habe, dass das Pop-up-Fenster nicht ohne vorherige Ankündigung erschienen sei, bestreitet der Kläger mit Nichtwissen, dass die Beklagte zuvor an alle ihre Kunden das von ihr vorgelegte Informationsschreiben (Anlage B 1) übersandt habe, das Schreiben zugegangen sei und diese den Inhalt des Schreibens auch zur Kenntnis genommen hätten.

Der Kläger beantragt,
zu erkennen, wie geschehen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, es liege weder eine unzumutbare Belästigung noch eine aggressive geschäftliche Handlung vor. Das in Rede stehende Pop-up-Fenster werde von keinem der dort in § 4a Abs. 1 UWG abschließend aufgezählten unzulässigen Mittel der Beeinflussung erfasst. Die Anwendung oder Androhung zulässiger Handlungen sei nur dann unzulässig, wenn dies in zweckwidriger oder unverhältnismäßiger Weise geschehe, was hier angesichts der vorherigen Ankündigung nicht der Fall gewesen sei. Das Pop-Up-Fenster sei nicht ohne Vorankündigung, sondern erst sieben Tage nach einem an die Kunden versandten Informationsschreiben (Anlage B 1) beim Einloggen ins Online-Banking erschienen.

In diesem Informationsschreiben seien die Kunden über die sich aus dem BGH-Urteil vom 27.04.2021 ergebenden Konsequenzen informiert worden, verbunden mit der Bitte um Zustimmung zu den mitübersandten AGB und dem ebenfalls übermittelten Preis- und Leistungsverzeichnis. Zudem habe anfangs, um mit dem Anmeldevorgang zum Online-Banking fortfahren zu können, neben der Möglichkeit zur Zustimmung zu den geänderten Vertragsbedingungen auch die Option bestanden, einen „Später-Erinnern-Button“ zu klicken (vgl. hierzu Anlage B 2). Ohnehin komme es auf den konkreten Einzelfall an, zu dem der Kläger indes nicht vortrage. Die Abmahnung und die Klage gehe offensichtlich auf eine Kundenbeschwerde zurück, weshalb es dem Kläger möglich und zumutbar sei, entsprechend zu einer vorherigen Information dieses betreffenden Kunden vorzutragen. Im Übrigen habe auch für die Verbraucher keine Zwangslage bestanden. Denn – wie sich aus dem Hinweis in dem Pop-Up-Fenster ergebe – sei das Online-Banking unabhängig davon, wie sich der Kunde entscheide, weiter für ihn nutzbar geblieben. Den Verbrauchern sei in dieser Situation klar gewesen, dass das Anklicken des Buttons „Stimme nicht zu“ keine endgültige Entscheidung darstelle und die weitere Geschäftsbeziehung mit der Beklagten dadurch nicht in Frage stehe.

Die Klageschrift ist der Beklagten ausweislich der Zustellungsurkunde (Bl. 25 f. d.A.) am 21.07.2022 zugestellt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschrift sowie die nachstehenden Entscheidungsgründe, soweit diese Feststellung enthalten, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der Einblendung des Pop-Up-Fensters während des Anmeldevorgangs zum Online-Banking, wie aus dem als Anlage K 1 vorgelegten Screenshot ersichtlich, gemäß §§ 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG i.V.m. § 4a UWG zu.

1. Die Klagebefugnis des Klägers ergibt sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG (n.F.) sowie aus §§ 1, 2, 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4a Unterlassungsklagengesetz (UKlaG). Der Kläger ist eine qualifizierte Einrichtung im Sinne dieser Vorschrift, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des UKlaG eingetragen ist.

2. Bei der Einblendung des Pop-Up-Fensters im Rahmen der Anmeldung zum Online-Banking handelt es sich auch um eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG (n.F.). Danach ist eine geschäftliche Handlung jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Ein objektiver Zusammenhang ist dann gegeben, wenn die Handlung bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet ist, eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu beeinflussen (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 4a Rn. 1.23 unter Hinweis auf ErwGr. 7 S. 1 UGP-RL; BGH WRP 2013, 1183 Rn. 17, 18 – Standardisierte Mandatsbearbeitung). Die an ihre Kunden gerichtete Aufforderung der Beklagten, sich darüber zu erklären, ob diese mit der künftigen Geltung der neuen AGB und des neuen Preis- und Leistungsverzeichnisses einverstanden sind und diesen daher zustimmen, stellt eine geschäftliche Handlung der Beklagten dar, da dadurch eine geschäftliche Entscheidung der Verbraucher nicht nur beeinflusst, sondern ausdrücklich gefordert wird.

3. Es liegt auch eine aggressive geschäftliche Handlung und damit ein Verstoß gegen § 4a UWG vor.

a. Gemäß § 4a Abs. 1 Satz 1 UWG, der in Umsetzung der Regelungen der UGP- Richtlinie ins deutsche Recht mit Wirkung zum 10.12.2015 eingefügt worden ist, handelt unlauter, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte. Nach Satz 2 der Vorschrift ist eine geschäftliche Handlung aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers erheblich zu beeinträchtigen, und zwar durch (1.) Belästigung, (2.) Nötigung einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt oder (3.) unzulässige Beeinflussung (vgl. Art. 8 UGP-RL). Hierbei handelt es sich um eine abschließende Aufzählung (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen a.a.O, § 4a UWG, Rn. 1.28), wenngleich eine trennscharfe Abgrenzung der drei vorgenannten Varianten im Einzelfall nicht immer möglich ist. Gemeinsam aber ist diesen drei Mitteln der Beeinflussung, dass von ihnen ein Druck auf den Verbraucher ausgeht, eine bestimmte geschäftliche Entscheidung zu treffen (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O, § 4a UWG, Rn. 1.29).

Da eine unzulässige Beeinflussung nach § 4a Abs. 1 Satz 3 UWG einerseits nur dann vorliegt, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher zur Ausübung von Druck in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt, aber andererseits der Umstand, dass sich Verbraucher als wirtschaftlich schwächere und rechtlich weniger erfahrene Vertragspartei generell in einer unterlegenen Position gegenüber dem Unternehmer befinden (vgl. EuGH WRP 2013, 1454 Rn. 35 – BKK MOBIL OIL; EuGH WRP 2015, 698 Rn. 53 – UPC), allein nicht ausreicht, um von einer Machtposition des Unternehmers zu sprechen (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 4a UWG, Rn. 1.55, 1.57; LG Stuttgart, Urt. v. 15.2.2022, Az. 34 O 98/21 KfH, GRUR-RS 2022, 5619 Rn. 22 zum relevanten Online-Banking-Markt), kommen vorliegend als Mittel der Beeinflussung lediglich die beiden Varianten „Belästigung“ und „Nötigung“ in Betracht. Deren Vorliegen ist anhand der Kriterien des § 4 a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 5 UWG zu beurteilen. Danach ist bei der Feststellung, ob eine geschäftliche Handlung aggressiv im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 ist, auf (1.) Zeitpunkt, Ort, Art oder Dauer der Handlung, (2.) die Verwendung drohender oder beleidigender Formulierungen oder Verhaltensweisen (3.) die bewusste Ausnutzung von konkreten Unglückssituationen oder Umständen von solcher Schwere, dass sie das Urteilsvermögen des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers beeinträchtigen, um dessen Entscheidung zu beeinflussen (wie z.B. die Zwangslage von Verbrauchern), (4.) belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse nichtvertraglicher Art, mit denen der Unternehmer den Verbraucher an der Ausübung seiner vertraglichen Rechte zu hindern versucht, wozu auch das Recht gehört, den Vertrag zu kündigen oder zu einer anderen Ware oder Dienstleistung oder einem anderen Unternehmer zu wechseln, sowie auf (5.) etwaige Drohungen mit rechtlich unzulässigen Handlungen abzustellen (vgl. auch Art. 9 UGP-RL).

Da § 4a der Umsetzung der Art. 8 und 9 UGP-RL dient, ist diese Vorschrift ebenso wie die Tatbestandsmerkmale „Belästigung“ und „Nötigung“ richtlinienkonform anhand dieser beiden Bestimmungen unter Beachtung der dafür vom EuGH aufgestellten Grundsätze auszulegen. Insofern sind die in diesen beiden Bestimmungen verwendeten Begriffe (wie z.B. Belästigung und Nötigung) einheitlich und autonom unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Sprachfassungen der Richtlinie, der Auslegungsgrundsätze zum Unionsrecht und der Rspr. des EuGH auszulegen (Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 4a UWG, Rn. 1.4; Seichter in: Seichter, jurisPK-UWG, 5. Aufl., § 4a UWG (Stand: 31.10.2022), Rn. 30). Mithin kann eine Nötigung im Sinne des § 4a UWG auch dann vorliegen, wenn der Straftatbestand der Nötigung gemäß § 240 StGB nach deutschem Strafrecht nicht erfüllt ist. Unter einer Nötigung versteht man in diesem Zusammenhang im europäischen Recht allgemein die Zufügung oder Androhung von Nachteilen für den Fall, dass die Gegenseite eine andere als die vom Unternehmer begehrte wirtschaftliche Entscheidung trifft bzw. zu einer bestimmten geschäftlichen Entscheidung veranlassen soll (vgl. Seichter in: Seichter, jurisPK-UWG, 5. Aufl., § 4a UWG (Stand: 31.10.2022), Rn. 30; Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 4a UWG, Rn. 1.49). Die bloße Weigerung, einen Vertrag mit einem Kunden abzuschließen, wenn dieser nicht bereit ist, sich auf die Vertragsbedingungen einzulassen (Geschäftsverweigerung), stellt allerdings keine Nötigung dar (Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O.).

Ferner muss sich das in Rede stehende geschäftliche Verhalten auf die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers ausgewirkt haben bzw. geeignet sein diese unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände erheblich zu beeinträchtigen (Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 4a UWG, Rn. 1.41). Die Fähigkeit des Verbrauchers, zu einer informierten Entscheidung zu gelangen, muss somit wesentlich beeinträchtigt sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die beanstandete geschäftliche Handlung geeignet ist, die Rationalität der Entscheidung der angesprochenen Verbraucher vollständig in den Hintergrund treten zu lassen (vgl. BGH, NJW-RR 2018, 1442; BGH, NJW 2015, 3508). Im Rahmen der gebotenen Abwägung sind dabei die Interessen der Beteiligten ebenso wie der Schutzzweck des § 4a UWG, der die geschäftliche Entscheidungsfreiheit der Verbraucher und deren wirtschaftlichen Interessen vor unangemessenen Mitteln der Beeinflussung schützt, zu berücksichtigen und die Auswirkungen auf die Betroffenen genau zu prüfen (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 4a UWG, Rn. 1.28; (ErwGr. 6 S. 1 und 8 S. 1 UGP-RL). Bei der Frage, ob eine aggressive geschäftliche Handlung im Sinne des § 4 a Abs. 1 UWG vorliegt, dürfen ferner die Vertragsfreiheit und die Freiheit der unternehmerischen Betätigung der Gegenseite nicht unberücksichtigt bleiben. Beispielsweise darf ein Unternehmer die Attraktivität seiner Produkte und seine Marktstellung ausnutzen, um hart zu verhandeln (hard bargaining). Er hat auch das Recht, eine Kündigung des Vertragsverhältnisses anzudrohen, wenn sich der Vertragspartner vertragswidrig verhält. Gleiches gilt für die Geltendmachung rechtlicher Schritte oder die Einleitung gerichtlicher Verfahren. Die Anwendung oder Androhung rechtlich zulässiger Handlungen ist ausnahmsweise (und nur) dann unzulässig, wenn dies in zweckwidriger oder unverhältnismäßiger Weise geschieht (vgl. Lang, BKR 2023, 227, 232).

Schließlich muss die geschäftliche Handlung, damit sie den Tatbestand des § 4a Abs. 1 UWG erfüllen kann, zumindest eine gewisse Intensität besitzen. Nicht als belästigend sind daher solche minderen Formen der Einwirkung anzusehen, denen sich der Verbraucher ohne weiteres durch Wegsehen, Weghören oder Weggehen entziehen kann (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 4a UWG, Rn. 1.40 für die Belästigung). Kein aggressives Verhalten liegt auch bei der bloßen Abgabe eines Angebots vor, da es dem Verbraucher lediglich eine Chance zum Vertragsschluss verschafft. Der aggressive Charakter einer derartigen geschäftlichen Handlung kann sich aber im Einzelfall aus dem Vorgehen des Unternehmers, den Verbraucher zur Annahme des Angebots zu bewegen, ergeben (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 4a UWG, Rn. 1.30).

Zu der Frage, ob ein an Kunden gerichtetes Informationsschreiben einer Bank, mit dem die Zustimmung zur Änderung der Preise und/oder AGB eingeholt werden soll, gegen § 4a UWG verstößt, liegen – soweit ersichtlich – erst wenige Urteile vor, die mit der hier vorliegenden Situation nicht vergleichbar sind (so ist nach Ansicht des LG Stuttgart GRUR-RS 2022, 5619 ein sachliches Informationsschreiben nicht zu beanstanden, während es nach Ansicht des LG Dessau GRUR-RS 2023, 5758 gegen § 4a UWG verstößt, wenn sich in dem Unterschriftsfeld eines Überweisungsträgers der Hinweis findet, dass mit dem Ausfüllen die konkludenteZustimmung zur Änderung der Vertragsbedingungen erteilt wird).

b. Dies berücksichtigend stellt sich das Pop-up-Fenster mit seinem Inhalt in der konkreten Situation, in der sich der Verbraucher beim Online-Banking der Beklagten einloggt, als eine aggressive geschäftliche Handlung in Gestalt einer Nötigung dar. Denn dem Verbraucher wird eine sofortige Entscheidung (ohne weitere Überlegungs-und Bedenkzeit) abverlangt. Zudem werden ihm für den Fall, dass er seine Zustimmung zur Änderung der Vertragsbedingungen verweigert, nachteilige rechtliche Konsequenzen in Aussicht gestellt. Dadurch wird das Interesse des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung treffen zu können, erheblich beeinträchtigt.

Mit der Formulierung „Falls Sie nicht zustimmen, entziehen Sie uns eine wichtige Grundlage in der gemeinsamen Geschäftsbeziehung“ stellt die Beklagte die Beendigung der Geschäftsbeziehung durch sie konkret in Aussicht. Bei verständiger Würdigung handelt es sich hierbei aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers um die Androhung der Beklagten, dass sie die Geschäftsbeziehung beendet, falls der Verbraucher in der Login-Situation den geänderten AGB und dem geänderten Preis- und Leistungsverzeichnis nicht zustimmt. Dass die Zustimmung zu den Änderungen Grundlage für die Fortsetzung des Bankvertrages und damit auch für die Nutzung des Online-Bankings ist, ergibt sich insoweit auch daraus, dass die Zustimmung aufgrund des aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs ausdrücklich als „notwendig“ bezeichnet wird. Im Ergebnis wird dadurch gegenüber dem Verbraucher in der konkreten Login-Situation ein unangemessener Druck aufgebaut, sich nunmehr entscheiden zu müssen. Der Verbraucher wird nämlich vor die Wahl gestellt im Zweifel die von der Beklagten gewünschte geschäftliche Entscheidung (Fortsetzung des Bankvertrages zu den geänderten Vertragsbedingungen) treffen, um sichergehen zu können, dass er die von ihm beabsichtigte Handlung (z.B. eine Überweisung) unmittelbar nach Abschluss des Login-Verfahren im Rahmen des Online-Bankings vornehmen kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Anmeldevorgang zum Online-Banking außerhalb der üblichen Banköffnungszeiten und ohne Erreichbarkeit einer Telefon-Hotline stattfindet.

Der unzulässige Druck wird dabei inmitten des Login-Vorgangs durch die Verknüpfung der angedrohten Beendigung der Geschäftsbeziehung mit dem fortdauernden Nutzungswillen des Online-Bankings durch den Verbraucher begründet. Die Kammer verkennt nicht, dass die Banken berechtigter Weise ein Interesse daran haben, dass in Bezug auf alle oder zumindest eine Vielzahl ihrer Kunden möglichst dieselben, einheitlichen AGB und Preise gelten. Auch haben Banken dann, wenn ihre Kosten steigen oder wenn (Zins-)Einnahmen (wie z.B. zuletzt in der Niedrigzinsphase bis Ende 2021) wegbrechen, ein berechtigtes Interesse daran, die gestiegenen Kosten durch die Anhebung der Kontoführungsgebühren auf die Kunden weiterzuwälzen, was die Änderung des Preis- und Leistungsverzeichnis erfordert. Mit der vom BGH erzwungenen Aufgabe der jahrzehntelang geübten Praxis der Zustimmungsfiktion bei Änderungen ihrer AGB und/oder Preis- und Leistungsverzeichnissen ergibt sich für die Banken bei Beachtung der neuesten höchstrichterlichen Rechtsprechung das Problem, dass sie fortan erheblichen Aufwand betreiben müssen, um die jeweilige individuelle Zustimmung ihrer Kunden zu den geänderten Preis- und Leistungsverzeichnisse und/oder Banken-AGB zu erlangen. In dieser Situation kann den Banken nicht verwehrt werden, ihre auf Dauer angelegten Giroverträge von Zeit zu Zeit den marktwirtschaftlichen Gegebenheiten oder wegen geänderter gesetzlicher Anforderungen (wie z.B. durch neue Sicherheitsstandards im Online-Banking) anzupassen. Müssten einmal geschlossene Verträge von den Banken zu den ursprünglichen Vertragsbedingungen stets weiter fortgeführt werden, wäre die Vertragsfreiheit der Banken – zu der auch das Recht zur Beendigung von Verträgen unter bestimmten Bedingungen oder nach Zeitablauf zählt – unverhältnismäßig beschnitten. Folglich ist es zulässig, dass die Banken zur Durchsetzung ihrer Interessen ihre Kunden zur Zustimmung zu Änderungen von Preis- und Leistungsverzeichnissen und/oder AGB auffordern und hierauf auch unter Setzung einer ausreichend bemessenen Entscheidungsfrist dringen dürfen. Ebenso ist es ihnen zuzugestehen, ihren Kunden sachlich und in verständlicher Weise die rechtlichen Konsequenzen aufzuzeigen, die mit einer Verweigerung der Zustimmung einhergehen würden.

Von einem solchen sachlich formulierten Aufforderungsschreiben, bei dem ausreichend Überlegungszeit gewährt wird, unterscheidet sich die Einblendung des Pop-up-Fenster, wie dargelegt, bereits dadurch, dass mitten im Login-Verfahren Druck auf den Verbraucher ausgeübt wird. Die Drucksituation entsteht dadurch, dass die Aufforderung zur Zustimmung zu den geänderten AGB und Preisen in das Login-Verfahren eingebettet ist und darüber hinaus aufgrund der gewählten technischen Besonderheit, dass das Pop-Up-Fenster nicht anderweitig geschlossen werden kann als durch Anklicken der Schaltflächen „Stimme nicht zu“ oder „Stimme zu“, eine Art Zwangssituation entsteht. Dem steht auch nicht entgegen, dass – worauf die Beklagte verwiesen hat – die Kunden bereits wenige Tage zuvor mit einem Informationsschreiben von der Beklagten über die beabsichtigte Änderung der Preise und Leistungen in Kenntnis gesetzt worden seien. Abzustellen ist insofern allein auf die hier maßgebliche Login-Situation, zumal nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Informationsschreiben jeden Kunden erreicht hat, die Kunden dessen Inhalt tatsächlich zur Kenntnis genommen haben und sich in der Einlog-Situation auch noch an den konkreten Inhalt (insb. die geänderten AGB und Preise) im Einzelnen erinnern. Ob – wie die Beklagte weiter behauptet – zunächst bei einem früheren Einloggen ein Pop-up-Fenster mit dem Button „später erinnern“ angezeigt worden ist,
ist insofern ebenfalls unerheblich.

Hinzu kommt, dass die Informationen in dem Pop-Up-Fenster aus Sicht eines verständigen Durchschnittsverbrauchers teils unverständlich, zumindest aber missverständlich sind. Denn es ist nicht ohne weiteres erkennbar, welche Konsequenzen die verweigerte Zustimmung in der aktuellen Situation im Rahmen des Login-Verfahrens für die Nutzung des Online-Bankings an dem betreffenden Tag oder in den nächsten Tagen nach der Verweigerung der Zustimmung haben wird. So heißt es dort zwar zunächst

„Es bleibt dabei: An den Ihnen zuletzt mitgeteilten Preisen und Leistungen ändert sich nichts.“,

was der Verbraucher so versteht, dass die Beklagte an der Durchsetzung der geänderten Vertragsbedingungen festhält, aber weiter unten eben auch:

„Falls Sie nicht zustimmen, entziehen Sie uns eine wichtige Grundlage in der gemeinsamen Geschäftsbeziehung.“

Was Folge der Entziehung der Grundlage für die gemeinsame Geschäftsbeziehung ist, eine Kündigung durch die Beklagte oder gar eine sofortige Beendigung des Vertrages erschließt sich dem juristischen Laien aufgrund der in dem Pop-up-Fenster enthaltenen Informationen nicht. Auch wenn es für den Fall der Verweigerung der
Zustimmung in versöhnlichem Ton dort weiter heißt:

„In diesem Fall werden wir nochmals auf Sie zukommen, um gemeinsam eine Lösung zu finden.“

weiß der Kunde nicht, was dies genau bedeutet. Daran ändert letztlich auch der Zusatz:

„Wichtig: Egal wie Sie sich entscheiden, Ihr Online-Banking bleibt wie gewohnt für Sie nutzbar.“

nichts, weil auch bei einem verständigen Durchschnittsverbraucher Zweifel verbleiben, ob auch bei einer Verweigerung der Zustimmung das Online-Banking weiterhin genutzt werden kann, weil sich dort gerade kein einschränkender Zusatz (wie z.B. „bis auf weiteres“) findet oder ein Übergangszeitraum genannt wird. Denn der Verbraucher kann dem Po-up-Fenster auch entnehmen, dass die verweigerte Zustimmung dazu führt, dass der Fortführung der gemeinsamen Geschäftsbeziehung die Grundlage entzogen wird.

4. Auch die erforderliche Wiederholungsgefahr ist angesichts des vorliegenden Wettbewerbsverstoßes gegeben. Sie ist auch nicht durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung weggefallen.

5. Die Androhung der gesetzlichen Ordnungsmitteln folgt aus § 890 ZPO.

    II. Dem Kläger steht ferner ein Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen für die Abmahnung gemäß § 13 Abs. 3 UWG zu, da es sich um eine berechtigte Abmahnung gehandelt hat. Die Zinsforderung ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB ab dem 22.07.2022.

    III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

    Streitwert: 15.000,00 €