LG Düsseldorf: Zur Heranziehungen der Honorarempfehlungen für Fotonutzungen der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (MFM-Empfehlungen)

LG Düsseldorf, Urteil vom 24.10.2012 – 23 S 66/12

§§ 97 Abs. 2, 72, 19a UrhG

Leitsätze

1. Die unberechtigten Nutzung von Lichtbildern im Rahmen einer eBay-Auktion begründet einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 97 Abs. 2, 72, 19a UrhG

2. Die Honorarempfehlungen für Fotonutzungen in Deutschland der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (MFM-Empfehlungen) können lediglich im Verhältnis professioneller Marktteilnehmer herangezogen werden, d. h., wenn auf beiden Seiten Personen stehen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gehandelt haben.

Gründe

A.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen widerrechtlicher Nutzung von 14 Lichtbildern in Anspruch, die eine Handtasche der Marke „xxx“ zeigen und welche die Beklagte im Rahmen einer eBay-Versteigerung verwendet hat. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird nach § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Der Kläger hat gegen die Beklagte bei dem Amtsgericht Hagen einen Vollstreckungsbescheid über eine Hauptforderung (Lizenzschaden) in Höhe von 3.500,00 € und eine Nebenforderung (Abmahnkosten) in Höhe von 1.196,43 € erwirkt.

Auf den fristgerechten Einspruch der Beklagten hin hat das Amtsgericht den Vollstreckungsbescheid teilweise aufrechterhalten und im Übrigen aufgehoben. Hinsichtlich des geltend gemachten Lizenzschadens hat es als Schätzgrundlage die Honorarempfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (im Folgenden: xxx-Empfehlungen) herangezogen, hat jedoch von dem sich daraus ergebenden Betrag aufgrund qualitativer Mängel der Fotos einen Abschlag von 50 % angenommen. Zudem hat es eine Verdopplung der Lizenzgebühr abgelehnt. Die begehrten Abmahnkosten hat das Amtsgericht ebenfalls nur teilweise zugesprochen, was darauf beruht, dass es den zugrunde liegenden Gegenstandswert von 28.000,00 € auf 14.240,00 € herabgesetzt hat.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt.

Da für die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2012 niemand erschienen ist, beantragt der Kläger, durch Versäumnisurteil

das am 14.12.2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf – Az. 57 C 4871/11 – abzuändern und den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vom 04.03.2011 – Geschäftsnummer 10-2494046-08-N – aufrechtzuerhalten.

Von weiteren tatbestandlichen Ausführungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

B.

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt, §§ 511, 517, 519 ZPO, und ordnungsgemäß begründet worden, § 520 ZPO.

II.    

In der Sache hat die Berufung des Klägers – auch unter Zugrundelegung ausschließlich seines eigenen Vorbringens – keinen Erfolg, so dass der Erlass eines zusprechenden Versäumnisurteils nicht in Betracht kam.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte über den vom Amtsgericht zuerkannten Betrag von insgesamt 1.774,40 € hinaus kein weiterer Schadensersatzanspruch zu.

1. Der Kläger hat wegen der unberechtigten Nutzung der 14 Lichtbilder gemäß §§ 97 Abs. 2, 72, 19a UrhG jedenfalls keinen über den Betrag von 875,00 € hinausgehenden Ersatzanspruch.

a) Allerdings meint die Kammer, anders als das Amtsgericht, dass bei der Bemessung der Schadenshöhe, d. h. bei der Ermittlung der angemessenen und üblichen Vergütung, vorliegend nicht auf die xxx-Empfehlungen zurückgegriffen werden kann. Wie auch das Amtsgericht ausgeführt hat, gehen die xxx-Empfehlungen auf Befragungen von Bildagenturen, Fotografen und Bildjournalisten zurück. Ziel der Erhebung ist, eine marktgerechte Übersicht der Vergütungsverhältnisse von Bildnutzungsrechten wiederzugeben (vgl. Einleitung der xxx-Empfehlungen 2010, S. 7). Die xxx-Empfehlungen beruhen also auf den Erfahrungswerten professioneller Marktteilnehmer. Die im Verhältnis zwischen Privatleuten üblichen Vergütungen geben sie nicht wieder. Mithin können sie auch nicht als repräsentative Grundlage für eine einmalige Fotonutzung im Rahmen einer privaten Internetversteigerung dienen (vgl. Urteil der Kammer vom 30.05.2012, Az. 23 S 254/11; OLG Brandenburg, Urteil vom 03.02.2009, Az. 6 U 58/08, Rn. 36 zitiert nach juris; OLG Braunschweig, Urteil vom 08.02.2012, Az. 2 U 7/11, Rdn. 45 ff. zitiert nach juris). Hieran gemessen scheidet ein Rückgriff auf die xxx-Empfehlungen aus. Zwar hat der Kläger vorgebracht, dass er Berufsfotograf sei und in der Vergangenheit bereits mehrfach Lichtbilder, Designs sowie Logos für verschiedene Unternehmen angefertigt habe. Er hat jedoch auch vorgetragen, die streitgegenständlichen 14 Lichtbilder für eine private Versteigerung verwendet zu haben (vgl. Schriftsatz vom 08.07.2011, Bl. 175 d. A.). Zudem ist nicht erkennbar, dass er die für diese Privatversteigerung verwendeten Fotos ursprünglich für eine berufliche Verwendung erstellt hatte. Im Gegenteil: Die minderwertige Qualität der Lichtbilder, welche – wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat – aus mehreren Gründen nicht an professionelle Produktfotos heranreichen, spricht gegen eine beruflich bedingte Anfertigung. Mithin fehlt es an dem erforderlichen Zusammenhang zwischen der vermeintlichen Tätigkeit des Klägers als Berufsfotograf und der Erstellung der streitgegenständlichen Lichtbilder. Denn rein zu privaten Zwecken erstellte Fotos, die – wie hier – qualitativ nicht mit professionell angefertigten Lichtbildern vergleichbar sind, unterfallen auch dann nicht dem Anwendungsbereich der xxx-Empfehlungen, wenn es sich bei dem Lichtbildner (zufällig) um einen Berufungsfotografen handelt.

Unerheblich ist daher auch, ob die Beklagte bei der unbefugten Verwendung der 14 Lichtbilder als private oder gewerbliche Verkäuferin tätig geworden ist. Die MFM-Empfehlungen können lediglich im Verhältnis professioneller Marktteilnehmer herangezogen werden, d. h., wenn auf beiden Seiten Personen stehen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gehandelt haben. An diesem Merkmal fehlt es hier schon auf Seiten des Klägers. Auf eine Einordnung der Tätigkeit der Beklagten kommt es nicht mehr an.

Aus den vorstehenden Gründen verbietet sich auch eine Heranziehung der xxx-Empfehlungen als Ausgangspunkt einer Schätzung gemäß § 287 Abs. 1 ZPO. Zwar scheint die Verwendung als Ausgangspunkt (1. Schritt) unter Vornahme eines Abschlages je nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls (2. Schritt), wie vom Amtsgericht vertreten, insoweit vorteilhaft, als dass damit die xxx-Empfehlungen jedenfalls eine nachvollziehbare Basis für die richterliche Schätzung bieten. Gleichwohl sieht die Kammer gegenüber einer Schätzung der üblichen und angemessenen Vergütung unter vollständiger Außerachtlassung der MFM-Empfehlungen keinen durchgreifenden Vorteil. Denn letztendlich ist es auch bei der vom Amtsgericht vertretenen Vorgehensweise allein in das richterliche Ermessen gestellt, in welcher Höhe der jeweilige Abschlag auf die xxx-Empfehlungen vorzunehmen ist (vorliegend nach Ansicht des Amtsgerichts in Höhe von 50 %). Vorzugswürdig erscheint daher, die nicht einschlägigen Honorarempfehlungen gänzlich unberücksichtigt zu lassen und die Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO allein anhand der vom Amtsgericht genannten Bemessungskriterien vorzunehmen, wobei richtigerweise auch auf die Qualität der Bilder abzustellen ist (vgl. Urteil der Kammer vom 30.05.2012, Az. 23 S 254/11; OLG Braunschweig, Urteil vom 08.02.2012, Az. 2 U 7/11, Rn. 53 zitiert nach juris).

b) Gemäß der vom Amtsgericht überzeugend dargestellten Kriterien, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, erachtet die Kammer vorliegend im Hinblick auf die lediglich einmalige Nutzung der 14 Lichtbilder und den erzielten Preis für die xxx-Tasche (398,50 €) eine Lizenzgebühr von 20,00 € pro Lichtbild als angemessen (so auch Urteil der Kammer vom 30.05.2012, Az. 23 S 254/11, für Lichtbilder, die im Rahmen einer Online-Versteigerung eines gebrauchten xxx mit einem erzielbaren Preis von 649,00 € bis 699,00 € verwendet wurden; OLG Brandenburg, Urteil vom 03.02.2009, Az. 6 U 58/08, Rn. 40 zitiert nach juris, für ein Foto, das bei einer Internetversteigerung eines gebrauchten GPS-Empfängers zum Einsatz kam, wobei ein Preis von 72,00 € erzielt wurde; OLG Braunschweig, Urteil vom 08.02.2012, Az. 2 U 7/11, Rn. 53 zitiert nach juris, für mehrere Fotos, die für die Versteigerung eines neuwertigen Monitors bei xxx zu einem Preis von 369,00 € eingesetzt wurden), so dass sich insgesamt eine Lizenzgebühr von 280,00 € (= 14 x 20,00 €) ergibt. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass die von ihm gefertigten Lichtbilder die zu verkaufende Tasche ansprechend präsentieren. Hervorzuheben sind vor allem die unterschiedlichen Perspektiven und der abgebildete Kombinationsvorschlag mit einem Kleidungsstück. Jedoch ist das gestalterische Niveau nicht derart außergewöhnlich, dass dieses angesichts der sonstigen Umstände vorliegend eine höhere durchsetzbare Lizenz rechtfertigen könnte. Zu berücksichtigen ist, dass xxx-Nutzer vor allen Dingen aus Gründen der Bequemlichkeit daran interessiert sind, vorhandene Bilder, die bereits aufgrund ihres Zuschnittes und ihrer Datengröße problemlos in eine Angebotsanzeige bei xxx eingestellt werden können, zu übernehmen (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 08.02.2012, Az. 2 U 7/11, Rn. 49 zitiert nach juris). Fehlen im Netz verfügbare Vorstücke, werden xxx-Nutzer nur selten bereit sein, Produktfotos, die sie nur einmalig für eine Internetauktion verwenden wollen, bei einem gewerblichen Anbieter gegen eine Vergütung zu erstehen. Vielmehr werden die allermeisten Nutzer den zu verkaufenden Gegenstand im Zweifel – unter Inkaufnahme eines wenig professionellen Ergebnisses – selbst fotografieren.

c) Somit bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob wegen der unterbliebenen Urheberbenennung ein 100 %-Aufschlag als Ausgleich für entgangene Werbemöglichkeiten vorzunehmen ist (dafür im Falle einer Privatversteigerung: OLG Brandenburg, Urteil vom 03.02.2009, Az. 6 U 58/08, Rn. 40 zitiert nach juris; ablehnend: OLG Braunschweig, Urteil vom 08.02.2012, Az. 2 U 7/11, Rdn. 54 ff. zitiert nach juris). Selbst wenn man einen solchen Aufschlag für gerechtfertigt hielte, würde sich lediglich eine Schadensersatzforderung des Klägers in Höhe von 560,00 € (= 2 x 280,00 €) ergeben, die den vom Amtsgericht bereits zugesprochenen Betrag von 875,00 € nicht übersteigt.

d) Gleiches gilt für die Frage eines 25 %-igen Zuschlages wegen zeitgleicher Einblendung der Lichtbilder in mehr als einer Domain. Bei Berücksichtigung auch dieses Aufschlages würde der Lizenzschaden des Klägers maximal 700,00 € betragen.

2. Des Weiteren kann der Kläger auch nicht die Erstattung weiterer Abmahnkosten verlangen. Der vom Amtsgericht zuerkannte Betrag von 899,40 € deckt einen Gegenstandswert von bis zu 16.000,00 € ab (die Gebührenstufen liegen bei 13.000,00 € und 16.000,00 €, so dass der vom Amtsgericht angenommene Gegenstandswert von 14.250,00 € dazwischen liegt). Einen höheren Gegenstandswert hatte das klägerische Abmahnschreiben vom 20.07.2010 (Bl. 122 ff. d. A.) nicht.

Wie das Amtsgericht ausgeführt hat, kommt es für die Bestimmung des Gegenstandswertes eines Abmahnschreibens auf das wirtschaftliche Interesse des Abmahnenden an der zukünftigen Unterlassung der Lichtbildverwendung an, wobei dieses Interesse vom Gericht nach freiem Ermessen geschätzt werden muss, § 3 ZPO. Maßgeblich ist dabei der wirtschaftliche Wert des Urheberrechts und der Angriffsfaktor der Rechtsverletzung (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.10.2011, Az. 2 W 92/11, Rn. 3 zitiert nach juris – xxx-Produktfoto). Vor diesem Hintergrund verbietet sich eine abstrakte Bestimmung des Gegenstandswertes für Urheberrechtsverletzungen. Notwendig ist vielmehr eine am Einzelfall orientierte Betrachtung.

Hieran gemessen erscheint ein Gesamtgegenstandswert von bis zu 16.000,00 € vorliegend mehr als ausreichend, unabhängig davon, ob man hinsichtlich der einzelnen Bilder einen gleich hohen Gegenstandswert von etwa 1.100,00 € oder – wie vom Amtsgericht befürwortet – einen abgestuften Gegenstandswert von 3.000,00 € bis 375,00 € ansetzt. Es ist weder von dem Kläger vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Unterlassung einer Nutzung der streitgegenständlichen 14 Bilder durch die Beklagte höher zu bemessen ist. Wie bereits dargestellt, handelt es sich bei der Rechtsverletzung der Beklagten um eine im geringfügigen Bereich. Auch hat der Kläger nicht dargetan, dass er aus den von ihm gefertigten Fotos der Handtasche wirtschaftlichen Nutzen zieht. Dem Vorbringen des Klägers lässt sich lediglich entnehmen, dass er die streitgegenständlichen Bilder im Rahmen einer privaten Internetversteigerung verwendet hat. Dass er sie auch einem Dritten zur Verfügung gestellt und dafür eine Vergütung bekommen hat bzw. eine solche Verwendung in Zukunft beabsichtigt, ist nicht dargetan.

3. Den Betrag von insgesamt 1.774,40 € hat die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB ab Zustellung des Mahnbescheides am 04.01.2011 (vgl. Zustellungsurkunde vom selben Tag, Bl. 42 d. A.) zu verzinsen. Zu Recht hat das Amtsgericht angenommen, dass ein vorheriger Verzug der Beklagten nicht ersichtlich ist. Einwände hiergegen hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht erhoben.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

IV.

Ein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO) besteht nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Vielmehr handelt es sich um eine maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls geprägte Entscheidung, die anerkannte Grundsätze der Rechtsprechung zur Anwendung bringt.

V.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 2.922,03 € (begehrte Hauptforderung von 3.500,00 € zzgl. Abmahnkosten in Höhe von 1.196,43 € abzgl. zugesprochener 1.774,40 €) festgesetzt.