FG Hamburg: Wenige Arbeitstage einer Prostituierten legen effektive Zeitnutzung durch größere Anzahl von Freiern an den Arbeitstagen nahe
Das Finanzgericht Hamburg trifft Feststellungen zur Arbeitssituation und den durchschnittlichen Einnahmen einer Laufhaus-Prostituierten. Ein Entgelt von 130 € pro Kunde stellt dabei einen durchschnittlichen Wert dar. Darüber hinaus liegt es nahe, dass eine Prostituierte, die nur an wenigen Tagen arbeitet, die Zeit an den Arbeitstagen dadurch effektiv nutzt, dass sie eine größere Anzahl von Freiern bedient.
FG Hamburg 2. Senat, Urteil vom 16.11.2016, 2 K 110/15
Dem Urteil des Finanzgerichts gingen Schätzungsbescheide des Finanzamtes voraus.
Auszüge aus dem Urteil:
„Am 26. Mai 2015 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hält auch die geänderte Schätzung für überhöht. In 2007 und 2008 habe sie nur an den Wochenenden gearbeitet. Drei Gäste pro Tag seien zu hoch angesetzt, ebenso wie der Umsatz von 160 € pro Kunde. Unberücksichtigt bleibe, dass eine Konkurrenzsituation mit sog. Flatrates-Betrieben wie C oder D bestanden habe, die die Preise beeinflusst habe. Eine sexuelle Dienstleistung könne schon für 30 € bis 50 € erbracht werden (Beweis: Zeugnis E und F). Der Beklagte berufe sich insoweit undifferenziert auf pauschale Angaben eines Milieubeamten. Die Tagesmiete habe ausweislich einer Bestätigung des damaligen Geschäftsführers der Laufhauses in den Jahren 2007 bis 2010 tatsächlich 140 € betragen (eidesstattliche Versicherung des G).“
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“ Angesichts der Mietabrechnungen aus 2011 dürfte die Klägerin tatsächlich aber wohl nicht in jedem Jahr einen vierwöchigen Urlaub gemacht haben, vielmehr ergaben sich für 2011 nur 12 Urlaubstage.“
„Auch die geschätzte Höhe der Betriebseinnahmen begegnet keinen derartigen Beanstandungen, die eine Herabsetzung rechtfertigen könnten.
Die Annahme von jeweils fünf Kunden mit einer Einnahme von 130 € pro Kunde, mithin 650 € pro Tag für die Jahre 2007 und 2008, stimmt mit der Rechtsprechung des Senats überein und ist in sich nachvollziehbar. Gerade wenn die Klägerin nur an wenigen Tagen gearbeitet haben will, liegt es nahe, an diesen Tagen die Zeit möglichst effektiv durch eine größere Anzahl von Freiern zu nutzen. Ein Entgelt von 130 € pro Kunde erscheint ebenfalls nicht überhöht und stellt einen durchschnittlichen Wert dar.
Derartige Preise ergeben sich zum Teil auch aus den von der Klägerin erstellten Listen. Für die Folgejahre ist der Beklagte von nur noch drei Freiern pro Tag mit einer -ebenfalls als Durchschnittswert angenommenen- Einnahme von 160 € pro Kunde ausgegangen. Auch diese Annahmen liegen für eine „Vollzeitbeschäftigung“ eher im unteren Schätzungsrahmen mit Blick auf die gefestigte Rechtsprechung des Senats (z. B. Urteil vom 20. Februar 2013, 2 K 169/11, EFG 2013, 907).“
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„Dass die Klägerin unter Beweisantritt behauptet hat, dass sexuelle Dienstleistungen bereits für 30 € bzw. 30 € bis 50 € erbracht werden und es im Falle des Scheiterns des Koberns hierbei bleibt, kann als wahr unterstellt werden. Für den Streitfall können hieraus indes keine Rückschlüsse über die konkrete Einnahmesituation der Klägerin gezogen werden. Auch der allgemeine Hinweis auf die Konkurrenzsituation durch Flatrate-Etablissements rechtfertigt keine andere Schätzung der Einnahmen. Denn das Leistungsangebot eines Laufhauses unterscheidet sich von dem Konzept eben „Geizbetriebe“, beide Angebote werden ersichtlich nebeneinander genutzt.“