AG Potsdam: Fristlose Kündigung eines Partnervermittlungsvertrages (elitepartner.de)
AG Potsdam, Urteil vom 09.02.2016 , 38 C 32/15
Das Gericht ordnet Verträge über die Nutzung von elitepartner.de als Partnervermittlungsverträge ein. Elitepartner erbringe Dienste höherer Art, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen werden. Dem zur Folge bejaht es die Anwendbarkeit von § 627 Abs. 1 BGB und erkennt, dass eine fristlose Kündigung möglich ist.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt u.a. die Internetdienste www.elitepartner.de und www.academicpartner.de, über die sie den Nutzern Dienste und Hilfestellungen bei der Suche nach einem Lebenspartner
anbietet. Die Leistung der Klägerin wird dabei von ihr unter anderem wie folgt beschrieben:
,,Die Partnersuche mit Elitepartner ist der besonders effektiv und sichere Weg, ganz gezielt den passenden Partner zu finden. Da der Elitepartnerkundenservice jedes einzelne Mitgliederprofil von Hand auf Niveau und Seriösität prüft, sind höchst mögliche Seriösitäten und Sicherheit bei der Partnersuche gewährleistet. ( …… ). Die Partnersuche mit Elitepartner fußt auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen: der umfangreiche Persönlichkeitstest und das wissenschaftliche Elite-Median wurden von renomierten Psychologen entwickelt. ( … ).“
Der Beklagte registrierte sich unter dem 31.01.2012 zunächst kostenlos auf der Webseite
www.elitepartner.de und gab am 19.01.2014 – ebenfalls online – die Erklärung zum Abschluss eines Vertrages über eine 6-monatige Premium-Mitgliedschaft ab, welche die Klägerin annahm. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zur „Premium Mitgliedschaft 6 Monatspaket“ heißt es:
,,Die Premium-Mitgliedschaft verlängert sich automatisch um ein 12 Monatspaket zum Preis von 49,90 Euro pro Monat (insg. 598,80 Euro), wenn Sie nicht 6 Wochen vor Ablauf des 6 Monatspaket kündigen. Dieses 12 Monatspaket verlängert sich immer wieder automatisch um jeweils den gleichen Zeitraum, wenn Sie nicht 8 Wochen vor Ablauf des Pakets kündigen“.
Ob dem Beklagten in diesem Zuge die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin sowie die Belehrung über das ihm zustehende Widerrufsrecht zugänglich gemacht wurden, ist zwischen den Parteien streitig.
Mit Schreiben vom 18.06.2014 erklärte der Beklagte gegenüber der Klägerin unter Hinweis auf
§ 656 BGB die Kündigung des Premiumvertrages zum 19.07.2014 und teilte mit, künftig nur noch die kostenlose Mitgliedschaft in Anspruch zu nehmen. Mit E-Mail vom 30.06.2014 bestätigte die Klägerin die Kündigung „zum nächstmöglichen Termin, dem 19.07.2015″ und verwies darauf, dass die nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestehende Kündigungsfrist bereits überschritten sei und die Mitgliedschaft daher noch einmalig um 12 Monate verlängert werde.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Kündigung habe mit Rücksicht auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Vertrag erst zum Ablauf des 19.07.2015 beenden können, da sich dieser bereits um zwölf Monate verlängert hatte. Der Beklagte schulde daher einen weiteren Jahresbeitrag für die Premium-Mitgliedschaft.
Mit dem Mahnbescheid hat die Klägerin gemäß ihrer Beitragsrechnung vom 27.07.2014 den Mitgliedsbeitrag für weitere 12 Monate in Höhe von 598,80 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz ab dem 31.07.2014 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten geltend gemacht.
Mit der Anspruchsbegründung beantragt die Klägerin unter Zurücknahme der weitergehenden
Zinsforderungen, den Beklagten zu verurteilen, an sie 598,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.08.2014 sowie vorgerichtliche
Mahnkosten in Höhe von 15,00 €, Auskunftskosten in Höhe von 0,30 € und Rechtsanwaltskosten in Höhe von 124,00 € zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die geltend gemachte Forderung sei entsprechend § 656 BGB nicht einklagbar, da diese Vorschrift auch auf Partnervermittlungsverträge anwendbar sei, wie sie die Klägerin anbiete. Weiterhin ist er der Auffassung, dass ihm jedenfalls ein Kündigungsrecht gemäß § 627 Absatz 1 BGB zustehe, weil die Klägerin Dienste höherer Art anbiete. Schließlich ist er der Meinung, unabhängig von der Frage des Zugangs einer entsprechenden Widerrufsbelehrung sei die von der Klägerin seinerzeit verwendete jedenfalls nicht ordnungsgemäß und bezieht sich hierzu auf ein Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 13.08.2013 (Aktenzeichen: 16 S 238/12).
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.
Es kann offenbleiben, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Anspruch um einen handelt, der entsprechend § 656 Absatz 1 BGB nicht einklagbar ist. Jedenfalls hat der Beklagte das Vertragsverhältnis wirksam zum 19.07.2014 gemäß § 627 Absatz 1 BGB gekündigt.
Das Amtsgericht Schöneberg hat im Urteil vom 27.01.2010, Aktenzeichen: 104 a C 413/09 zur
Anwendbarkeit der Vorschrift auf einen Vertrag der vorliegenden Art Folgendes ausgeführt:
Voraussetzung für eine wirksame Kündigung nach § 627 Abs. 1 BGB ist, das es sich bei den durch die Klägerin erbrachten Leistungen um Dienste höherer Art handelt, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen werden. Das ist – entgegen der Auffassung der Klägerin – der Fall. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob die Beklagte persönlichen Kontakt zu einem Mitarbeiter der Klägerin und besonderes Vertrauen in diese persönliche Person gesetzt hat.
Richtig ist zwar, dass der BGH in der Entscheidung vom 08.10.2009, Aktenzeichen: III ZR 93/09 die Auffassung der Vorinstanzen, es bestünde eine besondere Vertrauensbeziehung zu dem Mitarbeiter der dortigen Beklagten, der das analytische Vorgespräch geführt habe, ausdrücklich als zutreffend bezeichnet hat und das im vorliegenden Fall ein solches Vorgespräch unstreitig nicht stattgefunden hat. Darauf kommt es jedoch nach der Entscheidung des BGH nicht an. Vielmehr hat der BGH klargestellt, dass Verträge, die Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Partnerschaftsvermittlung bzw. -anbahnung zum Gegenstand haben, generell dem § 627 BGB unterfallen, da es in der Natur derartiger Dienstleistungsverhältnisse liege, dass der Kunde besonderes Vertrauen zu seinem Auftragnehmer – ob diese eine natürliche oder juristische Person sei, spiele keine Rolle – haben sich auf seine Seriosität verlassen müsse. Denn es sei im Allgemeinen notwendig, dass er seinem Vertragspartner Auskünfte über seine eigene Person und die gewünschten Eigenschaften des gesuchten Partners gibt, wodurch das Vertragsverhältnis in besonderem Maße die Privat- und Intimsphäre des Kunden berühre.
Dem schließt sich das Gericht an.
Die vom BGH genannten Voraussetzungen für die Anwendung des § 627 BGB haben auch hier vorgelegen. Die Beklagte hat der Klägerin vertrauliche Informationen über ihre Person mitgeteilt, die diese offenbar noch über das Vertragsende hinaus speichert. Die Beklagte verlässt sich darauf, dass die Klägerin diese Daten mit Respekt und Diskretion behandelt und sicherstellt, das mit ihnen kein Mißbrauch betrieben wird. Es spielt keine Rolle, ob sie dabei persönlichen Kontakt zu einem Mitarbeiter der Klägerin gehabt hat. Sowie eine juristische Person als solche – nicht durch ihre Mitarbeiter – durch Verunglimpfung in ihrem durch Artikel 2 Absatz 1 GG geschützten Persönlichkeitsrecht verletzt werden kann (vgl. Urteil vom LG Köln vom 16. Januar 2008 zu 28 O 498/07 n.w.N.), kann ihre Person umgekehrt auch besonderes Vertrauen im Sinne von § 627 BGB entgegengebracht werden. Diese Möglichkeit ist eben nicht nur auf eine natürliche Person beschränkt. Auch zu einer juristischen Person als solcher kann in Bezug auf deren Tätigkeit ein Vertrauensverhältnis bestehen. Die Klägerin bezeichnet sich dementsprechend auf ihrer Internetseite auch als „Online-Partner Vermittler ihres Vertrauens“.
Dem schließt sich das erkennende Gericht an.
Ebenso wie in dem der zitierten Entscheidung zugrunde liegenden Fall ist auch hier darauf hinzuweisen, dass die Klägerin selbst sich (werbend) darauf beruft, dass „jedes einzelne Mitgliederprofil von Hand auf Niveau und Seriosität“ geprüft werde, um höchstmögliche Seriosität und Sicherheit bei der Partnersuche zu gewährleisten. Wenn die Klägerin damit dokumentiert, dass sich ihre Dienstleistung eben nicht in der Anwendung eines Algorithmus erschöpft, sondern natürliche Personen sich um die einzelnen Profile kümmern, und sie damit selbst – jedenfalls zur Kundenakquise – persönliches Vertrauen für sich in Anspruch nimmt, muss sie sich auch bei der Frage einer Anwendung des § 627 Absatz 1 BGB daran festhalten lassen.
Die Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, nach der Kündigungen nur
unter Beachtung der vereinbarten Kündigungsfrist mit Wirkung zum vereinbarten Ende der Vertragslaufzeit möglichst sind, ist gemäß § 307 Absatz 2 Nr. 1 unwirksam, weil sie die Vertragspartner der Klägerin unangemessen benachteiligt. Der Ausschluss des jederzeitigen Kündigungsrechts ist mit dem wesentlichen Grundgedanken des § 627 BGB nicht zu vereinbaren und berücksichtigt nicht hinreichend die schutzwürdigen Belange der Kunden der Klägerin (h.M., vgl. Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl., Rn. 41 zu § 627 BGB m.w.N.; BGH WM 2005, 1657).
Auf Grund der danach wirksamen fristlosen Kündigung des Beklagten mit Ablauf des 18.07.2014
ist der Vertrag zu diesem Zeitpunkt beendet worden. Die insoweit vom Beklagten geschuldeten
Mitgliedsbeiträge sind unstreitig bezahlt. Da der Klägerin mithin aus dem Vertragsverhältnis keine weiteren Ansprüche zustehen, sind die Nebenforderungen ebenso wie der Zinsanspruch unbegründet.
Eines Hinweises auf die gegenüber der gerichtlichen Verfügung vom 14.04.2015 geänderte Rechtsauffassung des Gerichts nach Dezernatswechsels bedurfte es schon deshalb nicht, da die Sache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu allen – insbesondere die Entscheidung tragenden – Gesichtspunkten ausgeschrieben ist.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1, § 269 Absatz 3 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung ist nach § 515 Abs. 4 Satz 1 ZPO zuzulassen, da die Sache mit Rücksicht auf das Fehlen höchstrichterlicher Rechtssprechung sowohl zur Anwendbarkeit des § 656 BGB als auch des § 627 Absatz 1 BGB auf diese Fälle grundsätzliche Bedeutung hat und damit auch die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern.
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