AG Hamburg: Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine Persönlichkeitsanalyse nach Widerruf – Elitepartner

Die Recht eines Verbrauchers, sich durch einen Widerruf vom Vertrag zu lösen, erfasst nach einer Entscheidung des AG Hamburg aus 2012 im Falle von Elitepartner auch die Befreiung von den Kosten für eine Persönlichkeitsanalyse. Da Elitepartner sich in den aktuellen AGB vorbehält, im Falle eines Widerrufs einen Wertersatz in Höhe von bis zu drei Viertel des Mitgliedsbeitrags zu fordern, ist die Entscheidung weiterhin von Bedeutung. Verbraucher, die von Elitepartner nach einem Widerruf auf Zahlung von Wertersatz in Anspruch genommen werden, handeln nicht unvernünftig, wenn sie sich anwaltlich vertreten lassen. Derartige Sachverhalte lassen regelmäßig auch eine Deckungszusage durch die Rechtsschutzversicherungen erwarten.

AGB Klausel Elitepartner vom 10.05.2014
AGB Klausel Elitepartner vom 10.05.2014

Eigene Leitsätze des Verfassers

1. Eine Klausel, wonach der Kunde ein Drittel des Mitgliedschaftsbeitrags zahlen muss, wenn er von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht, ist für den Kunden derart überraschend, dass er mit ihr nicht zu rechnen braucht.

2. Eine Klausel, wonach der Unternehmer ein Entgelt für eine von seinem Kunden nicht extra angeforderte Persönlichkeitsanalyse behalten darf, auch wenn der Kunde von seinem Widerruf Gebrauch macht, benachteiligt den Kunden unangemessen.

Amtsgericht Hamburg, Urteil vom 12.03.2012, 4 C 381/10

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 99 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.7.2010 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 46,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.7.2010 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Wiedergabe des Tatbestandes wird gemäß § 313a ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger kann von der Beklagten Zahlung von restlichen 99,00 € verlangen. Der Rückzahlungsanspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 346 Abs. 1, 2, 357 Abs. 1 S. 1, 355, 312 d, § 312 b BGB. Der Kläger hat fristgemäß den Widerruf seiner Anmeldung erklärt, § 355 Abs. 1 S. 2 BGB.

Die Voraussetzungen des gesetzlichen Widerrufsrecht der §§ 312 d, 312 b BGB liegen vor.

Die Parteien haben einen Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312 b Abs. 1, 2 BGB (Dienstleistungsvertrag, § 611 BGB) abgeschlossen. Der Rückzahlungsanspruch scheitert nicht schon daran, dass die Erstellung der Persönlichkeitsanalyse nicht Gegenstand des Dienstvertrages geworden ist. Trotz der insoweit nicht eindeutigen Webseite ergibt sich aus den im Rahmen der Anmeldung nach dem Klick auf das Feld „Info gelesen“ erschienenen näheren Vertragsbedingungen der Beklagten, dass am Anfang der Mitgliedschaft die Persönlichkeitsanalyse im Wert von 99 € steht. Dass dem Kläger daneben eine kostenlose Persönlichkeitsanalyse angeboten wurde, die der Kläger nicht in Anspruch genommen hat, ist für den Inhalt des abgeschlossenen Dienstvertrages irrelevant.

Das Widerrufsrecht ist auch nicht nach § 312 Abs. 4, 5 BGB ausgeschlossen. Insbesondere liegt kein Fall des § 312 Abs. 4 Nr. 1 BGB vor. Zum einen stellt die Auswertung der Antworten aus dem Persönlichkeitstest eine Dienstleistung und keine Ware dar, so dass § 312 Abs. 4 Nr. 1 BGB gar nicht anwendbar ist.

Zum anderen wurde die Persönlichkeitsanalyse weder nach Kundenspezifikation angefertigt noch eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten.

§ 312 Abs. 4 Nr. 1 BGB soll den Unternehmer davor schützen, dass die – hier gar nicht gegebene – Ware wegen der Berücksichtigung der Wünsche des Verbrauchers anderweitig nicht oder nur mit unzumutbarem Preisnachlass abgesetzt werden kann. Die Beklagte kann aber sowohl den Persönlichkeitstest als auch Persönlichkeitsanalysen unverändert anbieten. Lediglich die konkret erstellte Persönlichkeitsanalyse ist für die Beklagte wertlos, was indes angesichts der Tatsache, dass die erstellte Persönlichkeitsanalyse zum großen Teil aus vorgefertigten Textbausteinen besteht, unbeachtlich ist. § 312 Abs. 4 Nr. 1 BGB ist nämlich nicht anwendbar, wenn die zu liefernde Sache aus vorgefertigten Serienbauteilen zusammengefügt wird, die ohne Beeinträchtigung der Substanz mit geringen AufWand wieder getrennt werden können, was auf vorliegenden Fall sinngemäß anwendbar ist.

Mit Ausübung des Widerrufsrechts wurde das Vertragsverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt mit der Folge, dass die Beklagte zur Rückgewähr der 99 € bzw. zum Wertersatz In gleicher Höhe verpflichtet ist, ans.

Dies gilt auch unter Berücksichtigung des anderslautenden § 2 b.cc. der AGB. § 2 b.cc. der AGB ist gemäß § 305 c BGB nicht Bestandteil des Dienstvertrages geworden.

Eine Klausel, wonach der Kunde ein Drittel des Mitgliedschaftsbeitrags zahlen muss, wenn er von dem Ihm gesetzlich zustehenden Widerrufsrecht Gebrauch macht, ist für den Kunden derart überraschend, dass er mit ihr nicht zu rechnen braucht. Aufgrund der unklaren Webseite, die dem Eindruck erweckt, die Persönlichkeitsanalyse sei kostenlos, muss ein Kunde, der den Persönlichkeitstest macht, nicht damit rechnen, dass er im Falle des Widerrufs Kosten für die Persönlichkeitsanalyse übernehmen muss, die in den Vertragsbedingungen als „zu einem Wert von 99 €“ „in der Mitgliedschaft bereits eingeschlossen“ angepriesen wird, und die er auch kostenlos hätte anfordern können. Dies gilt umso mehr, wenn der Unternehmer die Dienstleistung vor Ablauf der Widerrufsfrist automatisch erbringt, ohne dass er vom Verbraucher hierzu extra aufgefordert werden muss. Im übrigen wäre eine derartige Klausel nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

Eine Klausel, wonach der Unternehmer ein Entgelt für eine von seinem Kunden nicht extra angeforderte Persönlichkeitsanalyse behalten darf, auch wenn der Kunde von seinem Widerruf Gebrauch macht, benachteiligt den Kunden unangemessen. Eine unangemessene Behandlung im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB liegt vor, wenn der Unternehmer durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange ausreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Dabei ist vom Gegenstand, Zweck und Umfang des Vertrages auszugehen.

Die Hauptleistungspflicht des Unternehmers liegt hier in der Ermöglichung einer Kontaktaufnahme zwecks Partnerschaftsvermittlung. Die Erstellung der Persönlichkeitsanalyse dient zwar nur der Vorbereitung der Hauptleistung. Sie hängt aber als Voraussetzung für eine erfolgsversprechende Kontaktvermittlung unmittelbar mit der Hauptleistung zusammen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Hauptleistung ohne Bestellung der Persönlichkeitsanalyse gar nicht angefordert werden kann.

Die dem Verbraucher gesetzlich zugebilligte Möglichkeit, sich vom Vertrag zu lösen, muss angesichts dessen auch eine Befreiung von den Kosten für die Persönlichkeitsanalyse umfassen. Dies gilt umso mehr, wird berücksichtigt, dass die Kosten für die Persönlichkeitsanalyse ein Drittel des Gesamtpreises ausmachen. Jedenfalls für den Kunden, der eine Persönlichkeitsanalyse nicht separat bei der Beklagten bestellt und damit sein fehlendes Interesse an einer solchen zeigt, ist die Persönlichkeitsanalyse wertlos, wenn der Vertrag infolge Widerrufs rückabgewickelt wird.

Angesichts der unklaren Webseite, die den Eindruck erweckt, die Persönlichkeitsanalyse sei kostenlos, liegt darüber hinaus auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor, § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.

Im übrigen verstößt § 2 b.cc. der AGB auch gegen § 312 i BGB, der eine Umgehung des in § 312 b Abs. 1 BGB eingeräumten Widerrufsrechts untersagt.

Schließlich ist der Wertersatz auch nicht – wie vom Beklagten behauptet – nach (dem mittlerweile wieder aufgehobenen) § 312 d Abs. 6 BGB ausgeschlossen, der, da dieser nur Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen betraf, nicht einschlägig ist.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 280, 286, 288, 247 BGB, 91, 708 Nr.11, 713 ZPO.

Dabei hat das Gericht die Klageanträge wie folgt ausgelegt: Der Kläger will nicht nur 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz, sondern Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz beantragen, da er wie sich aus der Klagebegründung ergibt den gesetzlichen Verzugszins geltend machen will.

Die verlangten vorgerichtlichen Anwaltskosten sollen dem Kläger und nicht der Beklagten erstattet werden.