Kehrtwende des AG Köln: Bemerkenswerter Hinweis in Sachen Filesharing – Gutachtenvorschuss 5.000,00 €

Während die Kollegen von Waldorf Frommer sich vom Amtsgericht München – Urteil vom 31.10.2014 – 264 C 23409/13 –  gerade eine Ohrfeige in Sachen Darlegungs- und Beweislast einfingen, wirbelt das Amtsgericht Köln – Hinweis vom 22.10.2014, 125 C 410/14 – einigen Staub auf, in dem es nicht mehr – wie selbstverständlich – von der Richtigkeit der Ermittlung von Internetanschlüssen ausgeht.

Beiden Sachverhalten ist gemeinsam, dass die Gerichte sich auf die Grundsätze der Beweislastverteilung besinnen, was dazu führt, dass die Rechteinhaber und Anspruchssteller in Filesharing-Streitigkeiten – wie sonst auch im Zivilprozess – an ihrer Darlegungs- und Beweislast festgehalten werden.

Zwei begrüssenswerte Kehrtwenden, die hoffentlich auch bei anderen Gerichten Beachtung finden werden.


AG Köln, Hinweis vom 22.10.2014, 125 C 410/14

„Das Gericht weist darauf hin, dass es in Filesharingfällen – unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung und im Gegensatz zu der herrschenden Auffassung – nicht mehr ohne Weiteres von der Richtigkeit der Ermittlung der betreffenden Internetanschlüsse ausgeht.

Die unreflektierte Übernahme des Ergebnisses der vorangegangenen Gestattungsverfahren in den Schadensersatzprozess ist schon deswegen rechtswidrig, weil die Gestattungsvertahren den Verfahrensgrundsätzen des FGG unterliegen, bei denen Glaubhaftmachung ausreicht, während die Schadensersatzprozesse nach der Zivilprozessordnung zu führen sind, sodass Strengbeweis zu führen ist.

Insbesondere reicht es nicht aus, auf ein im Gestattungsverfahren vorgelegtes Privatgutachten zu verweisen. Davon abgesehen hat das Gericht eine ganze Reihe von Hinweisen darauf, dass die hiermit beauftragten Dienstleister nicht immer den zutreffenden Internetanschluss ermitteln. Der IT-Sachverständige Morgenstern (CR 203 ff. 2011) führt überzeugend aus, dass – jedenfalls im Jahr 2011 – die „bisher bekannt gewordenen Gutachten“ zu stellenden wissenschaftlichen Anforderungen nicht genügten. Dies wird dadurch bestätigt, dass in einem Altfall zweimal Begutachtungen in Auftrag gegeben worden waren, die mangels Vorschusszahlung nicht durchgeführt wurden und das Gericht bei geführten Abschlusstelefonaten mit den beiden Gutachtern den Eindruck gewann, dass beide – unabhängig voneinander – durchgreifende Zweifel an der zuverlässigen Ermittelbarkeit des betroffenen Internetanschlusses erkennen ließen.

Zweifel an der Zuverlässigkeit sind aber auch durch privat bekannt gewordene Fälle begründet, in denen glaubhaft von dem Erhalt entsprechende Abmahnschreiben ohne vorheriges Filesharing berichtet wurde. Es ist in diesem Zusammenhang schließlich darauf hinzuweisen, dass bei der forensischen Aufarbeitung der Fälle äußerst starke negative Auswahleffekte zutage treten. So sind Beklagte des Filesharings von Pornofilmen in der Mehrzahl Frauen, wegen des Filesharings von Computerspielen werden in der Mehrzahl Personen über 50 Jahre verklagt. Nachvollziehbarerweise ist ein mindestens ebenso starker negativer Auswahleffekt hinsichtlich der Ermittlung „schuldiger“ lnternetteilnehmer zu erwarten; dass also die forensische Praxis mit wesentlich mehr Fehlermittlungen zu tun hat als sie statistisch auftreten.

Das Gericht geht aber dann von der Richtigkeit der Ermittlung der IP-Adresse aus, wenn auf mehrere Ermittlungen verwiesen werden kann, die Filesharing gleicher oder ganz ähnlicher Dateien von dem Intemetanschluss des jeweiligen Beklagten innerhalb weniger Tage oder Wochen unter verschiedenen IP-Adressen belegen sollen. In solchen Fällen erscheint eine zufällige Mehrfachermittlung desselben Internetanschlusses so vollkommen unwahrscheinlich, dass ,,Zweifel schweigen“ (vgl. OLG Köln 6 U 239/11).

Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen zu den erteilten Hinweisen Stellung zu nehmen und ggfs. Mehrfachemittlungen vorzutragen. Ansonsten würde das Gericht nicht ohne Einholung eines die Richtigkeit der Ermittlungen bestätigenden Gutachtens die Klage zusprechen. Das Gericht würde von der Klägerseite einen Auslagenvorschuss von 5000 fordern, da nach bisherigen Erfahrungen die anzustellenden Ermittlungen sehr aufwändig und kostspielig sind. Es ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht diese Kosten ggfs. nach § 96 ZPO vollständig der Beklagtenseite auferlegen würde wenn eine Verurteilung dem Grunde nach bei einer Teilabweisung der übersetzten Klage erfolgt.

In Anbetracht der für beide Parteien erheblichen Prozessrisiken schlägt das Gericht vor, sich durch Vergleich darauf zu verständigen, dass die Beklagtenseite zum Ausgleich aller Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Filesharing (also auch gegen Angehörige etc.) an die Klägerseite 200 zahlt und die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden.“