LG Köln – Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt… – Bilderklau zur gewerblichen Nutzung auf eBay

LG Köln, Schlussurteil vom 16.06.2016 – 14 O 147/15

In einer Urheberrechtsstreitigkeit hatte der Beklagte 2 Fotografien des Klägers aus dem Internet geladen und für seine gewerbliche eBay-Auktion genutzt. Der Kläger, Inhaber eines großen Unternehmens, hatte die Fotografien durch einen Fotografen herstellen lassen, der sämtliche Produktfotos für ihn im Rahmen einer dauerhaft ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit fertigte.  Hierfür hatte der Kläger in seinem Unternehmen ein eigenes Fotostudio eingerichtet und eine professionelle Fotoausrüstung nebst professioneller Fotobearbeitungs-Software zur Verfügung gestellt. Sämtliche Produktfotos wurden so durch den Fotografen aufwendig hergestellt und nachbearbeitet.

Von der Forderung eines lizenzanalogen Schadensersatzes, der der Kläger die MFM-Honorarempfehlungen zugrunde gelegt hatte, nimmt das Landgericht einen 20%-Abschlag vor. Die Begründung mutet phantasiereich an:

„Die streitgegenständlichen Lichtbilder wurden von dem Zeugen […] im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit für den Kläger erstellt und sind von ansprechender Qualität. Grundsätzlich kann der Kläger aus vorstehenden Erwägungen seiner Schadensberechnung die Honorarempfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Foto Marketing 2015, die er als Anlage zu seinem Schriftsatz vom 16.07.2015 (BI. 83 GA) vorlegt, zugrunde legen. Für die Berechnung des Lizenzschadenersatzes ist nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers von einem Nutzungszeitraum von bis zu einem Monat auszugehen. Hierfür ist nach den MFM eine Lizenzgebühr von 100,00 EUR (Nutzung auf einer Unterseite) vorgesehen. Von diesem Betrag ist jedoch ein Abschlag vorzunehmen. Denn auch wenn der geänderte der Vortrag des Klägers, der Zeuge […] sei Berufsfotograf und nicht Angestellter des Klägers, als zutreffend unterstellt wird , so liegen dennoch Umstände vor, die eine unveränderte Übernahme der MFM-Lizenzgebühren nicht als angemessen erscheinen lassen.

In die Honorarrichtlinien der MFM sind auch die Amortisationskosten für die Berufsausrüstungen eines Fotografen, wie etwa die Kosten für die Anschaffung hochwertiger Kameras und die Einrichtung eines Fotostudios, mit einkalkuliert.

Diese Kosten hat vorliegend nicht der Zeuge […], sondern der Kläger getragen, der nach seinem Vortrag dem Zeugen eine professionelle Kameraausrüstung sowie ein umfangreiches Foto-Equipment sowie ein professionell eingerichtetes Fotostudio zum Zwecke der Anfertigung von Lichtbildern für den Kläger zur Verfügung gestellt hat.“

Zumindest in der uns vorliegenden Ausgabe der MFM-Honorarempfehlungen 2015 finden die vom Gericht als selbstverständlich (und ohne Quellennachweis) angesetzten „Amortisationskosten“ keine Erwähnung. Wie verhält es sich mit Pressefotografen, die ihre Ausrüstung vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt bekommen? Oder Künstlern, die mit einfachstem (billigstem) Equipment arbeiten?

Ist hiernach grundsätzlich ein Abschlag vorzunehmen, falls der Urheber keine teuren Investitionen tätigte?

Für die Annahme, bei der Veröffentlichung von Fotos im Rahmen eines gewerblichen eBay-Auftrittes, bei der Fotos sowohl auf der Startseite des Shops als auch in der Artikelbeschreibung abgebildet werden, handele es sich um die „Nutzung auf einer Unterseite“ bleibt das Gericht jegliche Begründung schuldig.

An Gedankenleserei grenzt die Begründung der Kammer, mit der sie die Zuerkennung eines 100%-Zuschlags wegen fehlender Urheberbezeichnung, § 13 UrhG, verweigert. Diesen Zuschlag, den die MFM-Honorarempfehlungen auf Seite 13 unter „Sonstiges“ empfehlen und der von zahlreichen Gerichten als selbstverständlich zugesprochen wird (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 24.10.2012, – 23 S 386/11; OLG Brandenburg, Urteil vom 15.05.2009 – 6 U 37/08 ; AG München, Urteil vom 22.08.2014 – 142 C 12802/14) lehnen die Richter ab, indem sie tiefe Einblicke in die Gedanken des Fotografen gewähren:

„Ein weiterer Zuschlag von 100 % wegen fehlender Urheberbenennung kommt vorliegend nicht in Betracht, da der Zeuge […] gegenüber dem Kläger auf eine Benennung als Lichtbildner der streitgegenständlichen Fotografien im Rahmen der Einblendung gewerblicher Angebote auf der Webseite www.ebay.de gemäß § 13 UrhG verzichtet hat. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass der Zeuge […] und der Beklagte für die gleiche Nutzung der Lichtbilder seitens des Beklagten auf der Webseite www.ebay.de einen Lizenzvertrag zu ebensolchen Bedingungen (ohne Urheberbenennung) abgeschlossen hätten, wie sie der Zeuge […] dem Kläger insoweit eingeräumt hat.

Der Vortrag des Klägers, der Zeuge […] hätte gegenüber dem Beklagten auf einem Urhebervermerk bestanden, kann aus heutiger Sicht als zutreffend unterstellt werden, ist jedoch kein Beleg dafür, dass zum damaligen Zeitpunkt, ohne Kenntnis von einer Rechtsverletzung, der Zeuge […] andere Konditionen als die mit dem Kläger vereinbarten gegenüber dem Beklagten für die gleiche Nutzung der streitgegenständlichen Lichtbilder auf derselben Webseite verlangt hätte.

Denn zur Bemessung des Anspruchs auf Lizenzschadensersatz ist maßgeblich, was vernünftige Vertragspartner anstelle der Parteien im Zeitpunkt des Beginns der Rechtsverletzung vereinbart hätten, nicht jedoch, welchen Wert oder welche Konditionen der Verletzte rückblickend für angemessen erachtet. Bei einem solchen Rückblick liegt vielmehr nahe, dass vorliegend die fehlende Urheberbenennung lediglich vorgeschoben ist, um eine erhöhte Lizenzgebühr als Strafzuschlag zu rechtfertigen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass auf der Webseite www.ebay.de das Anbringen von Urhebervermerken an Lichtbildern absolut unüblich ist, wie allgemein bekannt ist und der Kläger auch nicht vorträgt, der Zeuge […] habe zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung gegenüber anderen Lizenznehmern auf einer Benennung als Lichtbildner auf der Webseite www.ebay.de bestanden.“

Abgesehen davon, dass von einer Unüblichkeit des Anbringens von Urheberbezeichnungen – inbesondere im gewerblichen Bereich – keine Rede sein kann (was nach Auffassung des Gerichts „allgemein bekannt“ sein soll), urteilt das Gericht aufgrund einer Spekulation, wonach der Fotograf dem Beklagten (Bilderdieb) gegenüber auf eine Urheberbezeichnung verzichtet hätte. Woher weiß das Gericht, was der Fotograf mit dem Bilderdieb vernünftigerweise vereinbart hätte? Wie kommt es darauf, dass Lizenzvereinbarungen stets gleich – und unabhängig von Faktoren wie Ausschließlichlkeit der Nutzung, Anzahl der lizensierten Bilder, Dauer der Nutzung, Veröffentlichungsort, etc. – getroffen werden?


Äußerst interessant ist schließlich die Kostenquotelung, die das Gericht vornimmt. Diesbezüglich sind wir dankbar für Hinweise von Kollegen, die uns helfen, die Berechnung nachzuvollziehen.

Den Unterlassungsantrag des Klägers bewertete das Gericht mit 12.000,00 Euro (2 Fotos). Den Schadensersatzanspruch des Klägers mit 900,00 Euro (wie beantragt). Auf das Anerkenntnis des Beklagten hin (Unterlassungsantrag + lizenzanalogen Schadensersatz i.H.v. 240,00 Euro zzgl. Zinsen i.H.v. 5 PP zzgl. 480,20 Euro vorgerichtliche RA-Gebühren) erlässt das Gericht im schriftlichen Vorverfahren ein Teilanerkenntnisurteil (ohne Kostenentscheidung), so dass in der mündlichen Verhandlung lediglich über den weiter beantragten lizenanalogen Schadensersatz (660,00 Euro) gestritten wird.

Hinsichtlich des weiter geforderten lizenzanalogen Schadensersatzes in Höhe von 660,00 Euro ergeht klageabweisendes Schlussurteil mit folgender Kostenquotelung:

„Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 25 % und der Beklagte zu 75 %.“

Egal, wie wir es rechnen, diese Quotelung erschließt sich uns nicht. Dabei gehen wir von Folgendem aus:

Wert Anträge Kläger: 13.503,32 Euro

Unterlassen 12.000,00 Euro
Lizenzanaloger Schadensersatz + beantragter Zinsen 980,28 Euro (900,00 zzgl. Zinsen i.H.v. 9 PP seit 23.05.2015 = 900,00 + 80,28) (Klagerücknahme hinsichtlich 4 PP der ursprünglich beantragten Zinsen i.H.v. 9 PP)
Vorgerichtliche RA-Gebühren + beantragter Zinsen 523,04 Euro (480,20 zzgl. Zinsen i.H.v. 9 PP seit 23.05.2015 = 480,20 + 42,84) (Klagerücknahme hinsichtlich der Zinsen)
Gesamt 13.503,32 Euro

Wert Anerkenntnisse Beklagter: 12.731,13 Euro

Unterlassen 12.000,00 Euro
Lizenzanaloger Schadensersatz + anerkannter Zinsen 250,93 Euro (240,00 zzgl. Zinsen i.H.v. 5 PP seit dem 23.05.2015 = 240,00 + 10,93)
Vorgerichtliche RA-Gebühren 480,20 Euro
Gesamt 12.731,13 Euro

12.731,13
13.503,32 = 94,98%.

Der Kläger obsiegt folglich zu knapp 95% bzw. unterliegt mit einem Betrag in Höhe von 766,19 Euro.

Kann mir bitte jemand erklären, wie das Gericht auf eine Kostenquotelung von 25:75 kommt? Der Begründung des Gerichts können wir keine Anhaltspunkte dafür entnehmen:

„Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO und entspricht dem anteiligen Obsiegen und Unterliegen der Parteien. Bei der Kostenverteilung war zu berücksichtigen, dass Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 17.03.2016 ausschließlich eine nicht begründete Forderung des Klägers war.“

Hilfreiche Hinweise nimmt der Author liebend gerne entgegen ;-)