AG Hamburg: Arglistige Täuschung durch Parship – Manches spricht dafür!

In unserem „Kampf gegen das Böse“ in Form überhöhter Wertersatzforderungen durch Parship greift das AG Hamburg unsere Argumentation auf und stellt fest, dass auch für eine arglistige Täuschung der Kunden durch Parship manches spricht. Die Einkommensabfrage im Persönlichkeitstest scheint Parship auch als preisbildender Faktor für den Mitgliedsbeitrag zu dienen. Wer viel „angibt“, zahlt auch mehr. Davon weiß der Kunde jedoch nichts.


AG Hamburg, 12 C 126/17,  Hinweis vom 28. August 2017

Die Einkommensabfrage ist zwingender Teil des Persönlichkeitstests, den jeder Nutzer durchlaufen muss, wenn er die kostenlose Registrierung bei Parship vornimmt. Parship begründet diesen Schritt damit, dass das Einkommen ein Aspekt bei der Auswahl der Partnerschaftsvorschläge nach dem Parship-Prinzip sei. 

AG Hamburg: Arglistige Täuschung durch Parship - Manches spricht dafür!
parship.de – Screenshot vom 15. März 2017 – Einkommensabfrage

Der Nutzer kann zwischen verschiedenen Einkommensstufen wählen (zum heutigen Zeitpunkt stehen weitere Einkommensstufen, u.a. „Bis 5.000 EUR“ zur Verfügung) :

AG Hamburg: Arglistige Täuschung durch Parship - Manches spricht dafür!
parship.de – Screenshot vom 15. März 2017 – Einkommensabfrage

Wir haben die Registrierung (und damit den Persönlichkeitstest) unter anderem am 22. Februar 2017 zweimal hintereinander durchlaufen. Mit einem erstaunlichen Ergebnis!

Der erste Lauf unter Angabe eines Einkommens von „Über 100.000 EUR“ resultierte darin, dass Parship einen Willkommens-Rabatt von 25 % auf alle Premium-Mitgliedschaften in den ersten drei Monaten offerierte. Dies führte zu einem Angebot von 33,68 Euro in den ersten drei Monaten (danach 44,90 Euro im Monat!) für die 12-monatige Premium-Mitgliedschaft.

AG Hamburg: Arglistige Täuschung durch Parship - Manches spricht dafür!
Parship – Einkommensangabe „Über 100.000 EUR“ – Screenshot vom 22. Februar 2017, 12:17 Uhr

Beim zweiten Lauf gaben wir als Einkommen  „Bis 15.000 EUR“ an. Parship verlangte nunmehr 12,95 Euro bei 50 % Willkommens-Rabatt im 1. Monat (danach 25,90 Euro im Monat) für die 12-monatige Premium-Mitgliedschaft:

AG Hamburg: Arglistige Täuschung durch Parship - Manches spricht dafür!
Parship – Einkommensangabe „Bis 15.000 EUR“ – Screenshot vom 22. Februar 2017, 12:35 Uhr

Selbstverständlich steht es Parship frei, darüber zu entscheiden, zu welchem Preis es seinen Kunden die Premium-Mitgliedschaften anbietet. Kritisch, und für uns als arglistige Täuschung zu werten, wird es allerdings dann, wenn der Kunden die Einkommensangabe im Rahmen der Registrierung zwingend tätigen muss und man ihm dabei – lediglich – erklärt, diese Angabe für die Auswahl der Partnerschaftsvorschläge nach dem Parship-Prinzip zu benötigen.

Den von uns erzielten Ergebnissen nach fragt Parship hier einen preisbildenden Faktor aus der Sphäre des Nutzers mit einer ganz anderen Begründung ab und der potentielle Vertragspartner hat keine Möglichkeit  zu erkennen, dass er aufgrund der Offenlegung seiner Einkommensverhältnisse ggf. einen höheres Entgelt zu zahlen hat. Somit kann man unseres Erachtens argumentieren, dass Parship hier über die Tatsache täuscht, dass die Abfrage des Einkommens ein preisbildender Faktor ist, was wir in verschiedenen Klageverfahren als Anlass genommen haben, den Vertragsschluss auch gemäß § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung anzufechten. 

Einen in diese Richtung weisenden Hinweis erteilt dann auch das AG Hamburg am 28. August 2017, den wir im folgenden zitieren (Klick auf den Link öffnet eine PDF-Datei).


AG Hamburg, 12 C 126/17,  Hinweis vom 28. August 2017

Das Gericht rät der Beklagten, zur Vermeidung weiterer Kosten die Klageforderung anzuerkennen.

Ein Wertersatzanspruch der Beklagten ist nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 357 Abs. 8 S. 1 BGB nicht vorliegen.

Das klägerische Setzen des Hakens neben dem Text

„Ich möchte mit meiner Partnersuche bei Parship beginnen. Ich möchte, dass Parship vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausübung der beauftragten Dienstleistung beginnt. Mir ist bekannt, dass ich im Falle des Widerrufs Wertersatz für die bereits erbrachten Dienstleistungen leisten muss. Dabei ist der Wertersatz begrenzt auf max. drei Viertel des Mitgliedsbeitrags“

stellt wegen der konkreten Ausgestaltung kein hinreichendes Verlangen im Sinne des § 357 Abs. 8 S. 1 BGB dar, da sie der Inhaltskontrolle nicht standhält. Bei der Erklärung handelt es sich um eine kontrollfähige Allgemeine Geschäftsbedingung. Hieran ändert nichts, dass der Vertragspartner aktiv durch Setzen eines Häkchens mitwirkt (vgl. BGH NJW 2014, 2857). Ein Verwender von AGB, der seine AGB so gestaltet, dass dem Vertragspartner suggeriert wird, er müsse dem sofortigen Beginn der Leistung noch vor Ablauf der Widerrufsfrist durch Setzen eines Häkchens zustimmen, benachteiligt den Vertragspartner unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB.

So liegt es hier.

Der Aufbau des einschlägigen Teils der Webseite der Beklagten (Anlage 1a der Beklagten; BI. 104 d.A.) führt unter Berücksichtigung der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung (ständige Rechtsprechung des BGH) zu der Auslegung, dass der Kunde das Kästchen zur sofortigen Nutzung aktivieren muss, um überhaupt in den Genuss der Vertragsleistung zu kommen. Gerade die Eingangsformulierung des einschlägigen Teils der Beklagten-Webseite „Ich möchte mit meiner Partnersuche bei Parship beginnen“ lässt einen juristisch nicht versierten Leser glauben, dass das Setzen des Häkchens Voraussetzung der Inanspruchnahme der Leistungen ist.

Ein durchschnittlicher Leser kann nicht wissen und sich auch nicht anhand des vorgegebenen Textes erschließen, dass auch der zitierte Eingangssatz nur Bestandteil der Hinweise zum Regelungsgefüge des § 357 Abs. 8 BGB ist. Dass der Buchungsvorgang auch ohne diesen Haken erfolgreich fortgesetzt werden kann und der Vertragspartner in diesem Falle nicht das Risiko trägt, während der Widerrufsfrist Wertersatz leisten zu müssen, ist nicht erkennbar. Das Risiko einer derart missverständlichen Formulierung trägt der Verwender, zumal es vorliegend ein leichtes gewesen wäre, die von der Beklagten behauptete[n] Bedeutung der Klausel in einer für einend durchschnittlichen Leser verständlichen Weise darzustellen.

Hinzu kommt, dass aufgrund der Gestaltung unklar bleibt, ob dem Vertragspartner des Verwender[s], wenn er der sofortigen Nutzung während der Widerrufsfrist nicht zustimmt, die vertraglichen Leistungen über den vollen oder nur um die Zeitspanne der Widerrufsrist verkürzten Vertragszeitraum zur Verfügung stehen.

Schließlich fehlt es – soweit ersichtlich – an einer ordnungsgemäßen Information nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 EGBGB, insbes. die dortige Ziffer 1 (einschl. der Information über das Musterwiderrufsformular), die Voraussetzung eines Wertersatzanspruchs ist (§ 357 Abs. 8 Satz 2 BGB).

Da aus den dargelegten Gründen ein Wertersatzanspruch der Beklagten ausscheidet, bedurfte es nicht der Klärung, ob der Kläger auch berechtigt war, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, wofür jedoch manches spricht, da die Beklagte einen für sie preisbildenden Faktor aus der Sphäre des potentiellen Vertragspartners mit einer ganz anderen Begründung abfragt und der potentielle Vertragspartner keine Möglichkeit hat, zu erkennen, dass er aufgrund der Offenlegung seiner Einkommensverhältnisse ggf. einen höheres Entgelt zu zahlen hat. Da es darauf jedoch nicht streitentscheidend ankommt, bedurfte es keiner Klärung, ob die Beklagte den entsprechenden klägerischen Tatsachenvortrag nicht bestreitet, was die von ihr gewählte Formulierung nahelegt.

Ebenso bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob eine zur Anfechtung berechtigende Täuschung darin läge, wenn die Beklagte in der Übersicht der Produktauswahl bei dem Angebot mit einer Laufzeit von sechs Monaten enthaltene Leistungen nicht aufführt, dieselben Leistungen jedoch bei den Angeboten mit einer längeren Laufzeit aufführt.“


Bitte beachten Sie: Der Beitrag gibt den Sach- bzw. Rechtsstand zum Zeitpunkt der erstellten Screenshots bzw. zum Zeitpunkt der Veröffentlichung am 11. August 2017 wieder. Er erfüllt eine Archivfunktion und erhebt keinen Anspruch auf Aktualität. Die Screenshots dienen der Veranschaulichung des Inhalts.