LG Hamburg – 312 O 412/12: Ausschluss einer Kündigung per E-Mail in AGB unwirksam (elitepartner.de)

LG Hamburg, Urteil vom 30.04.2013, 312 O 412/12

(nicht rechtskräftig)

Das LG Hamburg stellt fest, dass eine Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die es zur Wirksamkeit einer Kündigung der Schriftform (unter Ausschluss der elektronischen Form) bedarf, unwirksam ist, wenn sie in einem ansonsten vollständig elektronisch betriebenen Geschäft des elektronischen Geschäftsverkehrs erfolgt.

Tatbestand

Der Kläger ist der bundesweit tätige Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen der Bundesländer und weiterer 26 verbraucher- und sozial orientierter Organisationen in Deutschland. Der Kläger ist seit dem 16.7.2002 unter der Registernummer II B 5 VZBV e.V. in die mittlerweile beim Bundesamt für Justiz angeführte Liste gemäß § 4 UKIG eingetragen.

Die Beklagte betreibt verschiedene Telemediendienste, unter anderem bietet sie unter der Adresse elitepartner.de Dienste und Hilfestellung bei der Suche nach einem Lebenspartner an. Hierbei verwendet sei AGB (Anlage K 2), die ebenfalls über den Telemediendienst der Beklagten erreichbar sind und von denen mit der vorliegenden Klage verschiedene Klauseln von der Klägerin angegriffen worden sind, weil die Klägerin diese für nach § 307 ff. BGB unzulässig hielt.
Mit Schreiben vom 18.3.2013 hat die Beklagte zu den angegriffenen Klauseln

2.b.aa (Bei Nichtzahlung der kostenpflichtigen Dienstleistung ist EMN berechtigt, den Nutzer mit sofortiger Wirkung von der Nutzung der kostenpflichtigen Services auszuschließen),

2.b.aa (Bei Nichtzahlung der kostenpflichtigen Dienstleistung ist EMN berechtigt, den Nutzer mit sofortiger Wirkung von der Nutzung der kostenpflichtigen Services auszuschließen.) in diesem Zusammenhang EMN entstandene Kosten für Storni, Bankgebühren etc. sind EMN vom Nutzer als Schadensersatz zu ersetzen.),

2.b.bb. (Schuldnerverzug), 6.e. (Das Mitglied ist damit einverstanden, dass EMN die personenbezogenen Daten des Profils eines Mitglieds – z.B. Alter, Geschlecht, Postleitzahl – für Zwecke der Marktforschung, Werbung und für die Forschung und Analyse zur Verbesserung ihres Services nutzt und verarbeitet bzw. verarbeiten lasst. Dieses Einverständnis beinhaltet gerade nicht eine Einwilligung zur Weitergabe der vorgenannten Daten an Dritte für Werbezwecke.) und

6.e (Mit der Registrierung des Nutzers ist es EMN aufgrund dann einer bestehenden oder zumindest sich anbahnender Kundenbeziehung erlaubt, für den Absatz ähnlicher Waren und Dienstleistungen per eMail zu werben, bis der Nutzer der Nutzung seiner E-Mail-Adresse widerspricht)

eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben.

Daraufhin haben die Parteien den Rechtsstreit zu den diesbezüglichen Anträgen 1.1 bis 1.5 für erledigt erklärt. Die Beklagte hat hinsichtlich der erledigten Anträge ihre Kostentragungsverpflichtung im Schriftsatz vom 2.4.2013 anerkannt. Den Antrag zu II. hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 4.4.2013 anerkannt.

Im Streit ist noch die Klausel unter Gliederungspunkt 7. (Kündigung) der AGB mit dem Wortlaut:

Die Kündigung der VIP- und/oder Premium-Mitgliedschaft bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (eigenhändige Unterschrift) und ist z.B. per Fax oder per Post an Elitemedianet GmbH (Adresse siehe Impressum} zu richten; die elektronische Form ist ausgeschlossen.

Der Kläger meint, die Klausel verstoße gegen § 307 I i.V.m. § 307 II Nr. 1, § 126 BGB; 126 b BGB; § 242 BGB.

Die Klausel wähle eine Mixtur gesetzlicher Formvorschriften zum Nachteil des Verbrauchers. Denn zunächst bestimme sie ein Schriftformerfordernis im Sinne des § 126 BGB, sehe dann aber vor, dass ein Fax genüge und weiche damit von § 126 BGB ab. Auch die Anlehnung an die Textformvorschrift des § 126 b BGB sei aber nicht konsequent, weil die Übermittlung per email ausgeschlossen werde. Mit der Klausel laufe der Verbraucher zudem Gefahr, allein aus formalen Gründen in einem unerwünschten Schuldverhältnis festgehalten zu werden, weil er nicht damit rechne, bei einem rein elektronisch zustande gekommenen und durchgeführten Vertragsverhältnis, welches die Beklagte selbst auch elektronisch kündigen könne und zu dem die Beklagte auch auf elektronischem Wege die Preise erhöhen dürfe, selbst eben nicht per E-Mail kündigen zu dürfen. Die streitgegenständliche Klausel diene ersichtlich nur dem Ziel, die Vertragsauflösung durch die Kunden der Beklagten zu erschweren. Der Medienbruch, der darin liege, dass die Kündigung des Verbrauchers in Schriftform oder per Telefax, nicht aber per Email erfolgen dürfe, sei unangemessen benachteiligend i.S.d. § 307 BGB.

Der Kläger beantragt:

I. Unterlassungsanspruch

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Bestimmungen in Verträge über Leistungen im Zusammenhang mit Partnersuchen mit Verbrauchern einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen:

Die Kündigung der VIP- und/oder Premium-Mitgliedschaft bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (eigenhändige Unterschrift) und ist z.B. per Fax oder per Post an Elitemedianet GmbH (Adresse siehe Impressum) zu richten; die elektronische Form ist ausgeschlossen.

II. Zahlungsanspruch

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 214,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, soweit nicht anerkannt oder für erledigt erklärt worden ist.

Die Beklagte meint, dass die Klausel unter Gliederungspunkt 7. (Kündigung) mit dem Wortlaut:

Die Kündigung der VIP- und/oder Premium-Mitgliedschaft bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (eigenhändige Unterschrift) und ist z.B. per Fax oder per Post an Elitemedianet GmbH (Adresse siehe Impressum) zu richten; die elektronische Form ist ausgeschlossen.

nicht gegen § 307 BGB, § 305 c I 8GB und auch nicht gegen § 309 Nr. 13 8GB verstoße. Die Klausel entspreche vielmehr der gesetzlichen Grundentscheidung nach § 126 BGB. Es komme hinzu, dass Lebenspartner der Kunden der Beklagten die Vertragsbeziehung der Kunden häufig per Email gekündigt hätten, weshalb die Beklagte die Schriftform mit Unterschrift wünsche, weil hier die Hemmschwelle, einen fremden Vertrag unter Angabe einer fremden Identität zu kündigen, erheblich höher sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.3.2013 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist mit dem verbliebenen streitigen Antrag zulässig und begründet.

Der Kläger ist nach §§ 1, 2, 3 UKlG bzw. nach § 4 UKlG i.V.m. § 8 III Nr. 3 UWG klagebefugt.

Ihm steht ein Anspruch gegen die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung der Klausel

Die Kündigung der VIP- und/oder Premium-Mitgliedschaft bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (eigenhändige Unterschrift) und ist z.B. per Fax oder per Post an Elitemedianet GmbH (Adresse siehe Impressum) zu richten; die elektronische Form ist ausgeschlossen.

nach §§ 1, 3 UKlG i.V.m. § 307 I, II BGB zu.

Die Klausel ist unangemessen benachteiligend i.S.d. § 307 BGB, weil sie gegen das Transparenzgebot verstößt.

Eine unangemessene Benachteiligung kann sich nach § 307 I 2 BGB daraus ergeben, dass die AGB-Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Bereits die bloße Unklarheit einer Klausel kann zu ihrer Unwirksamkeit führen, die Gefahr einer Benachteiligung des anderen Teils muss nicht vorliegen (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 72. Aufl. 2013, § 307 BGB Rz. 24 m.w.N.). Das Transparenzgebot des § 307 I 2 BGB verpflichtet den Verwender der AGB, tatbestandliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen in Formularbedingungen so genau zu beschreiben, dass einerseits für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen und andererseits der Vertragspartner seine Rechte und Pflichten ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach feststellen kann (BGH, NJW 2008, 1438 Rz. 17). Demnach sind Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Verwenders in den AGB möglichst klar, einfach und präzise darzustellen.

Vorliegend ist die Klausel 7., soweit sie hier angegriffen ist, nicht klar und verständlich, vielmehr ist sie bereits in sich widersprüchlich und dadurch unklar und verstößt somit gegen § 307 I 2 BGB.

Die Klausel legt zunächst die Schriftform mit dem Klammerzusatz „(eigenhändige Unterschrift)“ fest und relativiert diese – der Regelung der Schriftform des Gesetzes in § 126 BGB entsprechende – Form dann durch das Beispiel „z.B. per Fax“ in widersprüchlicher Weise. Die Sendung eines Telefaxes ist gerade keine Einhaltung der Schriftform in der definierten Weise „eigenhändige Unterschrift“.

Anschließend folgt der Passus „die elektronische Form ist ausgeschlossen“, ohne dass erklärt würde, was im Einzelnen ausgeschlossen ist. Die AGB definieren die „elektronische Form“ nicht. In Betracht kommen jedenfalls zumindest E-Mails, SMS und Telefaxe. An anderer Stelle in den AGB wird dem Nutzer der Vertragsschluss nach der Registrierung „per E-Mail, oder per SMS“, die den Eingang seiner Daten bekannt gibt, bestätigt (gemäß Art. 4 der AGB). Hier werden zwei elektronische Mitteilungsmöglichkeiten genannt, die allgemein verständlich sind. In der streitgegenständlichen Klausel dagegen bleibt Auslegungsspielraum und ist unklar, was gemeint ist.

Bei der Auslegung von AGB ist auf einen durchschnittlichen Vertragspartner abzustellen. Ein solcher kann nach Auffassung der Kammer auch Telefaxe für Erklärungen in elektronischer Form halten, da auch diese elektronisch übermittelt werden. Da die Faxe zunächst – in Widerspruch zu der definierten Schriftform – als akzeptierte Kündigungsmöglichkeit genannt und dann die elektronische Kündigungsform ausgeschlossen wird, ist unklar, ob nun per Fax gekündigt werden kann oder nicht. Weiter ist unklar, was die elektronische Form der Kündigung genau meint. Auch dies verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 I 2 BGB.

Die Klausel ist weiter – worauf es aber nicht mehr ankommt – unangemessen benachteiligend, weil sie in einem vollständig elektronisch betriebenen Geschäft des elektronischen Geschäftsverkehrs die Kündigungsmöglichkeit des Vertragspartners des Verwenders auf bestimmte Formen beschränkt, deren Zusammenstellung nicht logisch und der übrigen Geschäftsform, die vollständig elektronisch ist, nicht entsprechend ist.

Unangemessen ist eine Benachteiligung dann, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Zur Beurteilung bedarf es einer umfassenden Würdigung, in die die Art des konkreten Vertrages, die typischen Interessen beider Parteien, die Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise und die sich aus der Gesamtheit der Rechtsordnung ergebenden Bewertungskriterien einzubeziehen sind (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 72. Aufl. 2013, § 307 Rz. 12).

Auszugehen ist dabei von Gegenstand, Zweck und Eigenart des Vertrags. Die zu überprüfende Klausel ist vor dem Hintergrund des gesamten Vertrags auszulegen und zu bewerten (ibid.).

Der Ausschluss der elektronischen Kündigung ist vorliegend unangemessen benachteiligend, weil die Beklagte durch diesen Ausschluss, den sie ihren Vertragspartnern an versteckter Stelle durch AGB gleichsam unterschiebt, sich insoweit einen Vorteil verschafft, als sie durch diese Regelung in vielen Fällen eine AGB-konforme Kündigung verhindert. Dies hat sie selbst belegt durch Vorlage zweier Urteile, in denen die Beklagten dieser Verfahren sich damit verteidigten, rechtzeitig gekündigt zu haben, während die Beklagte im vorliegenden Verfahren und dortige Klägerin sich darauf berief, dass die Schriftform nicht eingehalten sei. Weitere Urteile dieser Art, die nicht vorliegen, hat die Beklagte benannt. Angesichts der vorliegenden Vertragsgestaltung können die Kunden auch mit einer solchen Regelung nicht rechnen. Ausweislich der Anlage K 1 beginnt die Anmeldung bei der Beklagten, einer reinen Online-Partnervermittlung, mit der Angabe einer EMail-Adresse und dem elektronischem Akzeptieren der AGB und Datenschutzbestimmungen. Sodann muss ein Passwort eingerichtet werden, um die Internetseite der Beklagten besuchen zu können. Ausweislich der als Anlage K 2 vorliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten betreibt die Beklagte „verschiedene Teledienste und Medien Services“ (Art.1 der AGB). Bezahlt wird der Service durch den Nutzer über das Internet, durch das Abschicken der Zahlungsdaten an die Beklagte oder an den von der Beklagten beauftragten EPayment-Provider. Der Vertragsschluss wird dem Nutzer gemäß Art. 4 der AGB nach der Registrierung „per E-Mail, oder per SMS“, die den Eingang seiner Daten bekannt gibt, bestätigt. Auch die AGB werden mit dem Erwerb einer VIP-/ oder Premium-Mitgliedschaft „per Email zugestellt“ (Art. 4 c. der AGB). Die Beklagte selbst hat gemäß Art. 8 der AGB unter bestimmten Umständen ein Recht „zur fristlosen Kündigung (auch per E-Mail)“. Das fernabsatzrechtliche Widerrufsrecht kann gemäß Art. 11 a der AGB „in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail)“ ausgeübt werden.

In diesem Umfeld ist die Beschränkung auf zwei aus der elektronischen Gestaltung herausfallende Kündigungsformen, nämlich die per eigenhändiger Unterschrift oder per Fax, (zeit-) aufwendig für den Verbraucher und zudem gänzlich unerwartet. Die Regelung ist im gesamten (elektronischen) Umfeld nicht verständlich und aufgrund ihrer Besonderheit in dem ansonsten vollständig online betriebenen Geschäft dadurch, dass sie erst an versteckter Stelle in den AGB erscheint, auch unklar. Auch ob dies anders einzuschätzen wäre, wenn gleich zu Beginn der Kommunikation zwischen Verwender und Nutzer mitgeteilt würde, dass bestimmte Verträge zwar online elektronisch geschlossen, nicht aber in gleicher Weise durch den Nutzer gekündigt werden können, kann dahinstehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91 a ZPO.

Hinsichtlich der für erledigt erklärten Anträge 1.1 bis 1.5 hat die Beklagte die Verpflichtung zur Kostentragung anerkannt, insoweit folgt die Entscheidung über die Kosten der Kostenübernahmeerklärung.

Die Kosten im Übrigen hat die Beklagte nach § 91 ZPO zu tragen, weil sie mit dem Antrag zu I. 6 unterlegen ist.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.