LG Düsseldorf: Mahnschreiben der GWE Wirtschaftsinformations-GmbH stellen Störung des lauteren Wettbewerbs dar und sind daher unzulässig
LG Düsseldorf, Urteil vom 21.12.2012, 38 O 37/12
Leitsätze (des Verfassers)
1. Der Versuch, gegen die Betroffenen unter Berufung auf den behaupteten Vertrag Ansprüche herzuleiten und durchzusetzen, ist als Störung des lauteren Wettbewerbs anzusehen, wenn der Vertrag darauf beruht, dass die Marktteilnehmer in eine „Vertragsfalle“ gelockt worden sind.
2. Wenn den Empfängern von Rechnungen, Mahnungen, Inkasso- und Anwaltsschreiben für den Fall der Weigerung erhebliche Nachteile angedroht werden, um sie hierdurch durch Ausübung von Druck davon abzuhalten, ihre Rechte im Hinblick auf das mindestens anfechtbare Zustandekommen eines Vertrages durchzusetzen, liegt ein Verstoss gegen § 4 Nr. 1 UWG vor, da die Marktteilnehmer durch Ausübung von Druck in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt werden.
Tenor
Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, hinsichtlich der Beklagten zu 1) zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen,
geschäftlich handelnd
im Nachgang zu der Versendung eines Formulars gemäß der Anlage K 1 aufgrund einer auf diesem Formular geleisteten Unterschrift des Adressaten diesem gegenüber mit Folgeschreiben Entgelte zu fordern und/oder fordern zu lassen, insbesondere wenn dies geschieht wie mit dem Schreiben „Rechnung“ gemäß der Anlage K 5 und/oder dem Schreiben „Mahnung“ gemäß der Anlage K 6 und/oder dem Schreiben „Inkasso 1“ und/oder dem Schreiben „Anwalt“ gemäß der Anlage K 18 und/oder dem Schreiben „Klage“ gemäß der Anlage K 19.
Darüber hinaus wird die Beklagte zu 1) verurteilt, an den Kläger 219,35 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 25. Mai 2012 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 € vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheitsleistung kann durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand
Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher Interessen.
Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, versendet an Gewerbetreibende das aus der Anlage K 1 zur Klageschrift ersichtliche Formular, bei dessen unterzeichneter Rücksendung eine vergütungspflichtige Eintragung in ein von der Beklagten zu 1) unterhaltenes Internet-Firmenverzeichnis erfolgt.
Der Kläger hat zunächst in einem Rechtsstreit 38 O 148/10 beim Landgericht Düsseldorf die Beklagten auf Unterlassung der Versendung eines solchen Formularschreibens, das allerdings nach Auffassung der Beklagten von dem jetzt verwendeten Formular abweicht, erfolgreich in Anspruch genommen. Gegen das die Berufung zurückweisende Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf haben die Beklagten die Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.
Mit dem vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger zu unterlassen, mit Rechnungen, Mahn-, Inkasso- oder Anwaltsschreiben Entgelte zu fordern, die aus unterzeichneter Rücksendung solcher Formulare hergeleitet werden.
Der Kläger ist der Ansicht, nicht nur das Versenden der fraglichen Formularschreiben sei geschäftlich unlauter, weil verschleiert werde, das ein Vertragsverhältnis eingegangen werden solle. Auch die im Nachgang durch Rechnungen, Mahnungen etc. erfolgten Versuche, ein Entgelt zu fordern, seien geschäftlich unlauter, weil unter Aufrechterhaltung und Ausnutzung der systematischen und zielgerichteten Täuschungshandlungen die Früchte wettbewerbswidrigen Verhaltens zu ziehen versucht werde.
Neben der Unterlassung verlangt der Kläger von der Beklagten zu 1) die Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten.
Der Kläger beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie sind der Auffassung, vor einer Entscheidung sei die Entscheidung über die Nichtzahlung der Revision im Rechtsstreit 38 O 148/10 abzuwarten.
Soweit sich der Kläger auf obergerichtliche Entscheidungen berufe, lägen den Urteilen nicht vergleichbare Sachverhalte zugrunde. Die Wirksamkeit der abgeschlossenen Verträge sei allein zwischen den Vertragsparteien zivilrechtlich zu klären. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1) bestehe ein Widerrufsrecht. Die Beklagten versuchten lediglich, im Rahmen des Geschäftsbetriebes mit üblichen Mitteln berechtigte Forderungen durchzusetzen. Die Entscheidungsfreiheit von Marktteilnehmern werde nicht durch die Ausübung von Druck beeinflusst. Zudem fehle dem Kläger die Aktivlegitimation, da er keine Vollmacht der Zahlungsschuldner habe. Diese selbst wiederum seien keine Wettbewerber im Verhältnis zur Beklagten zu 1).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung des im Urteilstenor unter 1. beschriebenen Verhaltens gemäß den §§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, 3, 5 Abs. 1 UWG.
Die Aktivlegitimation des Klägers ergibt sich aus seiner Eigenschaft als rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Der Kläger macht wettbewerbsrechtlich begründete Unterlassungsansprüche, nicht bürgerlich rechtliche Ansprüche von vermeintlichen oder tatsächlichen Vertragspartnern der Beklagten zu 1) geltend. Auf die Vollmacht eines Betroffenen kommt es daher nicht an.
Der Geltendmachung eines Unterlassungsanspruches steht nicht die fehlende Rechtskraft der Entscheidung des Rechtsstreits 38 O 148/10 entgegen. Eine Vorgreiflichkeit im Sinne von § 148 ZPO liegt nicht vor. Zum einen behaupten die Beklagten selbst, es gehe vorliegend um ein geänderten Formularschreiben. Zum anderen ist Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits das der Aushändigung dieses Schreibens nachfolgende Verhalten. Soweit eine inzident vorzunehmende Prüfung erfolgen muss, besteht keine rechtliche Bindung an die Entscheidung des Rechtsstreits 38 O 148/10.
Die Geltendmachung von Entgeltforderungen durch Rechnungen, Mahnschreiben, Inkasso- und Anwaltsschreiben kann als geschäftlich unlautere Handlung anzusehen sein, wenn die Forderungen damit begründet werden, dass ein der Anlage K 1 zur Klageschrift entsprechendes Formularschreiben vom Kunden unterzeichnet an die Beklagte zu 1) zurückgeschickt worden ist. Dieses Übersenden eines solchen Formulars ist nämlich seinerseits als irreführende geschäftliche Handlung anzusehen. Der Charakter als Angebot zum Abschluss eines entgeltlichen Vertrages wird verschleiert, indem der Eindruck erweckt wird, es gehe um eine Eintragung in ein amtliches oder quasi amtliches Verzeichnis. Die Hinweise auf den rechtsgeschäftlichen Inhalt sind so versteckt gehalten, dass von einem systematischen Versuch der Täuschung ausgegangen werden muss. Das vorliegende Formular unterscheidet sich praktisch kaum von demjenigen, das die Kammer und das Oberlandesgericht Düsseldorf bereits mit gleichem Ergebnis geprüft haben. Auf die den Parteien bekannten Entscheidungen kann daher verwiesen werden.
Der Versuch, durch Rechnungsübersendungen, Mahnungen, Inkasso- und Rechtsanwaltsschreiben so gewonnene „Kunden“ zu Zahlungen zu bewegen, stellt ebenfalls jeweils eine geschäftlich unlautere Handlung im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG und § 4 Nr. 1 UWG dar. Seit der UWG-Novelle 2008 erfasst der Begriff der geschäftlichen Handlung auch ein Verhalten nach Geschäftsabschluss. Individuell vertragliche Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Unternehmer und seinem Kunden können Gegenstand lauterkeitsrechtlicher Auseinandersetzung sein, jedenfalls soweit es sich nicht um Einzelfälle sondern um systematisches Vorgehen handelt. Das Wettbewerbsgericht hat dann die bürgerlich rechtlichen Fragen als Vorfragen zu entscheiden (vgl. OLG Düsseldorf Beschluss vom 16. Oktober 2012, Aktenzeichen I – 20 U 90/12).
Die Beklagte zu 1) geht systematisch vor, indem ihr Geschäftsmodell darauf abzielt, aus der Täuschung gewonnene Unterschriften, die formal den Abschluss eines entgeltlichen Vertrages zu dokumentieren geeignet sind, dazu zu verwenden, nicht bestehende Forderungen einzutreiben. Da die Empfänger des Angebots aufgrund der Gestaltung des Schreibens nur schwer erkennen, dass ein reines Werbeschreiben eines privaten Anbieters vorliegt, das keiner weitergehenden Beachtung bedarf und dessen Unterzeichnung zudem eine nach Monaten berechnete Vergütungspflicht auslösen soll, liegt in der nachdrücklichen Zahlungsaufforderung unter Androhung erheblicher Nachteile für den Fall der Zahlungsverweigerung systematische Fortsetzung des früheren Verhaltens. Den Empfängern der Rechnungen, Mahnungen, Inkasso- und Anwaltsschreiben werden für den Fall der Weigerung erhebliche Nachteile angedroht. Hiermit sollen die Geschäftsleute vor dem Hintergrund des zu betreibenden Aufwands durch Ausübung von Druck davon abgehalten werden, ihre Rechte im Hinblick auf das mindestens anfechtbare Zustandekommen eines Vertrages durchzusetzen, § 4 Nr. 1 UWG. Schon in der Rechnung wird mit erheblichen – weiteren – Kosten für den Fall nicht fristgerechter Zahlung gedroht. Unter den gegebenen Umständen, die ihr Gepräge maßgeblich daraus beziehen, das Marktteilnehmer in eine „Vertragsfalle“ gelockt worden sind, ist auch der Versuch, gegen die Betroffenen unter Berufung auf den behaupteten Vertrag Ansprüche herzuleiten und durchzusetzen, als eigene Störung des lauteren Wettbewerbs anzusehen (vgl. BGH WRP 2001, 1073 ff. Rdnr. 39 m.w.N.).
Neben der Beklagten zu 1) haftet somit auch der für sie verantwortlich handelnde Geschäftsführer auf Unterlassung.
Die Beklagte zu 1) schuldet zudem gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG die Erstattung der in ihrer Höhe nicht streitigen Abmahnkosten. Der Betrag von 219,35 € ist wegen Verzuges ab Rechtshängigkeit, also dem 25. Mai 2012, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 und 100 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.
Der Streitwert wird auf 15.000,00 € festgesetzt.