OLG München: Ausdrückliches Werbeverbot umfasst auch teiladressierte Postwurfsendungen („An alle Bewohner des Hauses“)

OLG München, Urteil vom 05.12.2013, 29 U 2881/13

Leitsätze des Verfassers

1. Werbende Unternehmen sind verpflichtet, dem Wunsch, keine Werbung mehr erhalten zu wollen, auch dann nachzukommen, wenn der Adressat der Werbung dies nicht durch einen Aufkleber „Bitte keine Werbung“ an seinem Briefkasten kundtut, sofern er das Unternehmen vorher schriftlich von seinem Wunsch in Kenntnis gesetzt hat. 

2. Die schriftliche Aufforderung an ein Unternehmen, zukünftig von Werbung verschont zu bleiben, umfasst sämtliche Formen der Werbung und ist nicht einschränkend dahingehend auszulegen, dass nur diejenige Form der Werbung gemeint ist, durch die der Unternehmer den Adressaten bereits vorher angesprochen hat. 

3. Für die „Hartnäckigkeit“ des Ansprechens im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG kommt es allein auf die Wiederholung, nicht aber auf eine besonders intensive Einwirkung an.

4. Der Begriff der für den Fernabsatz geeigneten Mittel kommerzieller Kommunikation des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG umfasst alle Kommunikationsmittel, die zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können. Hierzu zählen auch teiladressierten Postwurfsendungen („An alle Bewohner des Hauses“).


Es ist eine Unsitte vieler werbender Unternehmen, die entgegenstehenden und ausdrücklich geäußerten Wünsche der Werbeadressaten zu ignorieren bzw. nur teilweise zu berücksichtigen oder zu umgehen. Der Nutzen von Werbung scheint es für viele Unternehmer zu rechtfertigen, ausdrückliche Aufforderungen, Werbung zukünftig zu unterlassen, sowie Aufkleber am Briefkasten „Bitte keine Werbung“ schlichtweg zu ignorieren. Andere Unternehmer kommen dem Wunsch nach Werbefreiheit zwar teilweise nach, indem sie dem Adressaten keine personalisierte Werbung mehr zukommen lassen, umgehen das Werbeverbot durch die Hintertür jedoch wieder dadurch, dass sie die Betroffenen durch teiladressierte Briefwerbung („An alle Bewohner des Hauses“) weiterhin hartnäckig ansprechen. Hierzu schienen die werbenden Unternehmen sich – zumindest bislang – als berechtigt anzusehen. 

Als Beispiel sei Unitymedia genannt. Das Unternehmen wurde dazu aufgefordert, Werbung zukünftig zu unterlassen. Das Unterlassungsbegehren wurde von Unitymedia am 15.10.2013 wie folgt beantwortet:

„Selbstverständlich werden wir Ihren Wunsch respektieren, künftig auf unaufgeforderte Informationen aus unserem Hause zu verzichten. Zu diesem Zweck nehmen wir Ihre persönlichen Daten in unsere Werbesperrdatei für die Unitymedia-Gruppe auf:

[Name, Anschrift]

[…]

Berücksichtigen Sie bitte auch, dass Sie eventuell unpersonalisierte Postwurfsendungen (z.B. „An die Bewohner des Hauses“) von uns erhalten können. Wünschen Sie dies nicht, empfehlen wir Ihnen, einen gut sichtbaren Aufkleber an Ihrem Briefkasten anzubringen, der den Einwurf von Werbematerial untersagt.“

Ein derartiges Vorbringen ist nunmehr rechtlich nicht mehr haltbar. Insbesondere diejenigen, die nicht gänzlich uninteressiert an Werbung sind und nur Werbung von bestimmten Unternehmen nicht mehr erhalten möchten, sind nach der Rechtsprechung des OLG München nunmehr nicht mehr gezwungen, einen Aufkleber „Bitte keine Werbung“ an ihrem Briefkasten anzubringen, durch den sie sich Werbung, an der sie interessiert sind, vollkommen abzuschneiden. Der Wunsch nach Werbefreiheit muss vielmehr auch dann befolgt werden, wenn der Werbeadressat sich mit seinem Werbeverbot „nur“ schriftlich an das Unternehmen wendet und keinen Aufkleber „Bitte keine Werbung“ an seinem Briefkasten anbringt. 

In diesem Zusammenhang sei die Vorgehensweise eines besonders schlauen Unternehmers erwähnt, der einer Aufforderung, auch teiladressierte Postwurfsendungen – trotz eines nicht vorhandenen Aufklebers „Bitte keine Werbung“ – zu unterlassen, dadurch begegnete, dass er zustellende Unternehmen anwies, das Einwerfen sämtlicher Werbung in den Briefkasten des Betroffenen zu unterlassen. Nachdem der vollkommene Nichterhalt von Werbung, also auch solcher, die den Betroffenen interessierte, irgendwann auffiel und der Postzusteller darauf angesprochen wurde, räumte dieser die entsprechende Anweisung – beinahe verängstigt – ein. Ein interessanter Ansatz finden wir….

Dass das Anbringen eines Aufklebers „Bitte keine Werbung“ keine Voraussetzung für den Nichterhalt von Werbung ist, hatte bereits das LG Lüneburg in seinem Urteil vom 30.09.2011 – 4 S 44/11 – (“Einkauf Aktuell”) entschieden.

Unternehmer, die den ausdrücklichen Wunsch nach Werbefreiheit der Werbeadressaten ignorieren oder zu umgehen versuchen, müssen fortan auch bei der Zusendung teiladressierter Postwurfsendungen damit rechnen, von Verbrauchern oder Unternehmern kostenpflichtig abgemahnt und auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden. Denn der Versand unerwünschter Werbung stellt unter den gegebenen Voraussetzungen auch einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Betroffenen dar, §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. den Wertungen des § 7 UWG


Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München 1 vom 16.05.2013 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken an den Geschäftsführern, zu unterlassen,

im Rahmen geschäftlicher Handlungen an Verbraucher wiederholt postalisch ohne Empfängernamen teiladressierte Werbung zu senden oder senden zu lassen, obwohl der Verbraucher den Erhalt von Werbung nicht wünscht.

2. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 214,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.02.2013 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Das Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger ist der Dachverband der Verbraucherzentralen und weiterer verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland. Er macht gegen die Beklagte einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch sowie Abmahnkosten geltend.

Die Beklagte versandte an Herrn […] ein an diesen persönlich adressiertes Scheiben vom 23.05 .2012, in dem sie ihm den Anschluss ins Hochleistungs-Kabelnetz mit Glasfaser anbot (Anlage K 1). Herr […] antwortete der Beklagten mit E-mail vom 26.05.2012 (Anlage K 2), die auszugsweise wie folgt lautet:

„Sie wollen mich mit Schreiben vom 23. Mai 2012 zu einem Wechsel von DSL ins Hochleistungs-Kabelnetz mit Glasfaser überreden. Dies wird KD nach meinen katastrophalen Erfahrungen mit dem Service nicht mehr gelingen. KD hatte mir – als mehrjähriger Kunde – einen 12-tägigen TOTEN Anschluß zugemutet und dann telefonisch erklärt, ich müsse für die Fehlerbeseitigung doch wohl etwas Geduld aufbringen !!!! Selbst wenn mir KD den o.a. Anschluß dauerhaft schenken würde, ein Wechsel kommt für mich NIE mehr infrage. 

Bitte verschonen Sie mich zukünftig mit Werbung u.a“

Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 04.06.2012 (Anlage K 4) wie folgt:

„Wir haben Ihren Werbewiderspruch vom 29.05.2012 erhalten und bestätigen Ihnen hiermit, dass wir Ihre personenbezogenen Daten künftig wunschgemäß nicht mehr für die unten benannten werblichen Zwecke verarbeiten oder nutzen werden. Um Ihrem Widerspruch gegen eine unerwünschte Werbung umfassend gerecht zu werden, haben wir Sie in unsere Interne Sperrliste aufgenommen. Hierdurch wurden folgende Arten der werblichen Ansprache für Sie abgestellt:

– Personalisierte Postwerbung an die Anschrift:

– E-mail-Werbung für die E-Mail-Adresse: e-mail

Wenn wir über die genannten Kontaktmöglichkeiten hinaus noch weitere für Sie sperren sollen, teilen sie uns die betreffenden Kontaktdaten bitte so schnell wie möglich mit. Dann können wir künftig eine werbliche Ansprache auch auf diesen Wegen zuverlässig unterbinden.“

Am 06.06.2012, am 31.07.2012, am 30.10.2012, am 27.11.2012 und am 19.12.2012 erhielt Herr […] weitere Werbeschreiben der Beklagten entsprechend den Anlagen K 5 bis K 9, wobei diese jeweils „An die Bewohner des Hauses“ adressiert waren.

Mit Schreiben vom 20.11.2012 (Anlage K 10) mahnte der Kläger die Beklagte ab. Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte verstoße mit ihrer Werbung entsprechend Anlagen K 5 bis K 9 gegen § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG, denn Herr […] habe mit seiner E-Mail vom 26.05.2012 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er keine Werbung von der Beklagten wünsche. Der Widerspruch des Herrn sei allumfassend gewesen und habe sich nicht lediglich auf personalisierte, an ihn persönlich gerichtete Briefwerbung bezogen. Da die Beklagte Herrn […] nach dessen Widerspruch mehr als zwei weitere Postwurfsendungen habe zustellen lassen, liege ein „hartnäckiges“ Ansprechen im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG vor.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an den Geschäftsführern, zu unterlassen,

im Rahmen geschäftlicher Handlungen an Verbraucher wiederholt postalisch Werbung zu senden oder senden zu lassen, obwohl der Verbraucher den Erhalt von Werbung nicht wünscht.

II. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 214,00 €nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Ihrer Meinung nach seien die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG nicht erfüllt, denn Hartnäckigkeit im Sinne dieser Vorschrift liege nur vor, wenn der Werbende sich gegenüber dem Verbraucher mehrmals desselben Werbemittels bediene, obwohl der Verbraucher hiermit nicht einverstanden sei. Diese Voraussetzung liege aber nicht vor, weil der Werbewiderspruch des Verbrauchers eindeutig nur gegen Werbung mittels an ihn adressierter Briefe gerichtet gewesen sei. In der Folge sei dem Verbraucher aber ein anderes Werbemittel, nicht mehr Briefwerbung, sondern Briefkastenwerbung zugegangen. Eine nicht persönliche adressierte Briefkastenwerbung stelle aber keine Wiederholung einer persönlich adressierten Briefwerbung dar.

Auch ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 UWG liege nicht vor, denn es liege keine Unzumutbarkeit vor. Im Rahmen der vorzunehmenden umfassenden Abwägung der Interessen des Werbenden gegenüber den Interessen des Umworbenen überwiegen hier die Interessen der Beklagten, da die in Rede stehende Werbemethode nur äußerst geringfügig in den persönlichen Lebenskreis des Empfängers eingreife. Auch im Rahmen der Auslegung des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG seien ihre Grundrechte gemäß Art. 5 GG und Art. 12 GG zu berücksichtigen. Dies führe dazu, dass Briefkastenwerbung nur dann „erkennbar“ unerwünscht sei, wenn am Briefkasten ein entsprechender Sperrvermerk angebracht sei.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 16.05.2013, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, vollumfänglich abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus der ersten Instanz

und beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des am 16. Mai 2013 verkündeten Urteils der 17. Kammer für Handelssachen des Landgerichts München 1 – 17 HK 0 3848/13 – wie erstinstanzlich beantragt zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie rügt den Unterlassungsantrag als zu unbestimmt und wiederholt und vertieft im Übrigen ebenfalls ihren Vortrag aus der ersten Instanz.

Ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll des Termins der mündlichen Verhandlung vom 5. Dezember 2013 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

Der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich hinsichtlich der ohne Empfängernamen teiladressierten Postwurfsendungen aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3, § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG. Hinsichtlich der Übersendung von Werbung durch vollständig personalisierte Briefe besteht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch jedoch nicht.

1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Unterlassungsklageantrag hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Begriff „postalische Werbung“ umfasst sowohl vollständig adressierte Werbeschreiben als auch teiladressierte Postwurfsendungen, die die Beklagte als „Briefkastenwerbung“ bezeichnet. Da der Kläger sich gegen beides wendet, war eine Unterscheidung zwischen Briefwerbung und Briefkastenwerbung im Antrag nicht vorzunehmen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten erschöpft sich der Antrag auch nicht in einer Wiederholung des Gesetzeswortlautes. Der Kläger hat in seinem Antrag sowohl das Kommunikationsmittel, nämlich die postalische Versendung als auch den Begriff „hartnäckig“ gegenüber dem Gesetzeswortlaut konkretisiert. Zutreffend ist, dass im Vollstreckungsverfahren jeweils wertend zu prüfen bleibt, ob der Verbraucher „den Erhalt von Werbung nicht wünscht“. Soll ein wirksamer Rechtsschutz nicht verweigert werden, so ist die Vornahme von Wertungen durch das Vollstreckungsgericht aber vielfach bei der Prüfung eines Verstoßes nicht zu vermeiden (vgl. Köhler/Bomkamm, UWG, 31. Aufl. § 12 Rn. 2.36 m.w.N.). Die vom Kläger gewählte Formulierung führt daher nicht zur Unzulässigkeit des Antrags.

2. Mit Übersendung der teiladressierten Postwurfsendungen entsprechend Anlagen K 5 bis K 9 hat die Beklagte dem Verbraucher […] im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG Werbung unter Verwendung eines für den Fernabsatz geeigneten kommerziellen Kommunikationsmittels hartnäckig übersandt, obwohl er dies erkennbar nicht wünschte.

a) Bei den teiladressierten Postwurfsendungen handelt es sich um ein für den Fernabsatz geeignetes Mittel der kommerziellen Kommunikation. Erfasst sind alle Kommunikationsmittel, die zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können (Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 7 Rn. 101). Dies ist bei teiladressierten Postwurfsendungen der Fall.

b) Die Beklagte hat dem Verbraucher die Sendungen zukommen lassen, obwohl er dies erkennbar nicht wünschte. Der Verbraucher hat in seiner E-mail vom 26.05.2012 unmissverständlich klargemacht, dass er keinerlei Verträge mit der Beklagten mehr abschließen werde, selbst wenn die Beklagte ihm die Leistungen schenken würde und dass er deshalb mit Werbung der Beklagten zukünftig verschont werden möchte. Diese E-mail erfolgte als Reaktion auf das Schreiben der Beklagten vom 23.05.2012 (Anlage K 1), das als vollständig adressierter Brief übersandt worden war. Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass sich der Widerspruch des Verbrauchers […] nur gegen Werbung durch vollständig adressierte Briefe richtete. Eine solche Einschränkung auf dieses eine Kommunikationsmittel lässt sich der E-mail in keiner Weise entnehmen. Der Verbraucher hat vielmehr unmissverständlich deutlich gemacht, dass er keinerlei Werbung mehr von der Beklagten erhalten möchte.

Auch die Beklagte hat das Schreiben des Verbrauchers nicht dahingehend ausgelegt, dass er nur keine Werbung mehr in der Form erhalten möchte, in der ihm das Schreiben vom 23.05.2012 zugegangen ist, also durch vollständig adressierten Brief. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 04.06.2012 (Anlage K 4) mitgeteilt, dass sie Herrn […] keine personalisierte Postwerbung und keine E-Mail-Werbung mehr zusenden werde. Die Beklagte hat den Werbewiderspruch somit auch auf E-Mail-Werbung bezogen, obwohl er nicht als Reaktion auf Email-Werbung erfolgte.

Die Beklagte hat Herrn mit Schreiben vom 04.06.2012 zwar nicht zugesagt, dass er auch auf andere Weise übermittelte Werbung nicht mehr erhalten wird und Herr […] hat der Beklagten nach deren Scheiben vom 04.06.2012 nicht nochmals mitgeteilt, dass er auch in sonstiger Weise nicht mehr kontaktiert werden möchte. Dies war aber auch nicht erforderlich, da er Entsprechendes bereits mit seiner E-mail vom 26.05.2012 unmissverständlich kommuniziert hatte und sich die Reichweite seiner Erklärung nicht dadurch ändert, dass die Beklagte kundtut, dass sie dem Anliegen nur teilweise nachkommen wird.

Im vorliegenden Fall kommt noch erschwerend dazu, dass die Beklagte dem Verbraucher […] exakt das gleiche Angebot, das sie ihm zunächst mittels vollständig adressierten Briefs übermittelt hat, sodann nach seiner E-mail vom 26.05.2012 noch zweimal mittels teiladressierter Postwurfsendung geschickt hat. Das Vorbringen der Beklagten, es sei für sie nicht erkennbar gewesen, dass Herr an der Übersendung des Angebots kein Interesse hatte, ist angesichts dessen, dass Herr ihr bereits mitgeteilt hatte, dass er das Angebot nicht einmal geschenkt annähme und sich die Übersendung weiterer Werbung verbiete, nicht nachvollziehbar.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG unter Berücksichtigung der Grundrechte der Beklagten aus Art. 5 GG und Art. 12 GG auch nicht verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass das Ansprechen nur dann „erkennbar“ unerwünscht ist, wenn der Empfänger seinen Briefkasten mit einem entsprechenden Aufkleber wie „Werbung nein danke“ versehen hat und nicht etwa auch dann, wenn der Empfänger – wie hier – dem Unternehmer eine entsprechende Mitteilung hat zukommen lassen. § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG dient der Umsetzung der Nr. 26 Satz 1 Anhang 1 der UGP-Richtlinie. Bezüglich der im Anhang I der UGP-Richtlinie genannten Geschäftspraktiken ist der Richtliniengeber unter Berücksichtigung der in Rede stehenden Grundrechte (vgl. Erwägungsgrund 25 der Richtlinie 2005/29/EG) zu dem Ergebnis gelangt, dass diese unter allen Umständen als unlauter gelten. In Nr. 26 Satz 1 Anhang 1 der UGP-Richtlinie ist das Wort „erkennbar“ sogar gar nicht enthalten, in der Richtlinie ist nur von „unerwünschtem Ansprechen'“ die Rede. Das Merkmal „erkennbar“ ist daher nicht erweiternd dahingehend auszulegen, dass die Erkennbarkeit auf eine bestimmte Art und Weise zu Tage treten muss, sondern bedarf einer richtlinienkonformen einschränkenden Auslegung (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O. § 7 Rn. 102b). Aufgrund der deutlichen E-mail vom 26.05.2012 war für die Beklagte somit „erkennbar“, dass der Verbraucher […] von der Beklagten keine Werbung mehr erhalten wollte, auch wenn dieser seinen Briefkasten nicht entsprechend gekennzeichnet hatte.

c) Die Beklagte hat den Verbraucher mit Werbung enthaltenden teiladressierten Postwurfsendungen auch hartnäckig angesprochen, nämlich nach Eingang der E-mail von Herrn […] noch insgesamt fünfmal. Für die Hartnäckigkeit kommt es allein auf die Wiederholung, nicht aber auf eine besonders intensive Einwirkung an (Köhler/Bornkamm, a.a.0. § 7 Rn. 102a).

3. Die Klagebefugnis des Klägers ergibt sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG.

4. Wiederholungsgefahr ist gegeben, da die Beklagte trotz Abmahnung keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat.

5. Hinsichtlich der Übersendung personalisierter, also namentlich adressierter Postwerbung ergibt sich der Unterlassungsanspruch nicht aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG, denn insoweit fehlt es am Merkmal der Hartnäckigkeit des Ansprechens. Mittels des Kommunikationsmittels des vollständig adressierten Briefes hat die Beklagte sich nur einmal und zwar mit Schreiben vom 23.05.2012 (Anlage K 1) an den Verbraucher gewandt. Auf dessen E-mail vom 26.05.2012 (Anlage K 2) hin hat die Beklagte insoweit unmittelbar reagiert und mittels adressierter Briefe keine weitere Werbung an Herrn […] gesandt. Ein hartnäckiges Ansprechen liegt insoweit nicht vor.

6. Hinsichtlich personalisierter Briefe ergibt sich der Anspruch auch nicht aus § 7 Abs. 1 UWG. Die einmalige Übersendung eines Werbebriefes stellt keine unzumutbare Belästigung dar (§ 7 Abs. 1 Satz 1 UWG). Insbesondere war für die Beklagte vor Eingang der E-mail vom 26.05.2012 auch nicht erkennbar, dass Herr […] entsprechende Schreiben nicht wünscht. (§ 7 Abs. 1 Satz 2 UWG).

7. Der Anspruch auf Ersatz der pauschalieren Abmahnkosten ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Eine Kürzung der Pauschale, weil die Abmahnung nur teilweise berechtigt war, ist nicht vorzunehmen (Köhler/Bornkamm, a.a.0. § 12 Rn. 1.96b und 1.99 m.w.N.). Der Zinsanspruch folgt aus § 288 BGB.

III. 

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. l Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter II. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.