OLG Köln – Befristung der Gültigkeitsdauer „Mobiler Briefmarken“ auf 14 Tage unwirksam
Die Gültigkeitsdauer „Mobiler Briefmarken“ (sog. Portocodes) darf nicht auf 14 Tage beschränkt werden. Eine entgegenstehende Bestimmung in den AGB der Deutsche Post AG ist unwirksam, weil sie Verbraucher unangemessen benachteiligt.
OLG Köln, Urteil vom 13.06.2023, 3 U 148/22
1. Instanz: LG Köln, Urteil vom 20.10.2022, 33 O 258/21
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Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 20.10.2022 verkündete Urteil der Zivilkammer des Landgerichts Köln – Az. 33 O 258/21 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
I. 1. Der Kläger beanstandet eine Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Beklagten und macht insoweit einen Unterlassungs- sowie einen Aufwendungsersatzanspruch geltend.
Der Kläger ist der Dachverband der 16 Verbraucherzentralen der Länder und 28 weiterer verbraucherpolitischer Verbände in Deutschland. Er widmet sich satzungsgemäß der Durchsetzung von Verbraucherinteressen und ist in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungs-klagengesetzes (UKlaG) eingetragen. Die Beklagte bietet Beförderungsleistungen für Briefe und Pakete an.
Für Briefe und Postkarten offeriert die Beklagte Verbrauchern seit dem 09.12.2020 als Nachweis für die Zahlung des Beförderungsentgelts eine sogenannte „Mobile Briefmarke“, auch „Portocode“ genannt. Um sich dieser Frankierungsmethode bedienen zu können, benötigen Verbraucher eine „Post und DHL“ genannte App für das Smartphone. Über diese App können sie bei dem Kauf einer Briefmarke die Option „Als Code zum Beschriften“ auswählen. Die Bezahlung erfolgt online. Nach dem Bezahlvorgang wird Verbrauchern ein Porto-Code zur Frankierung direkt in der App angezeigt und kann mit einem Stift auf das zu befördernde Poststück geschrieben werden. Der Code besteht aus acht Zeichen sowie in der ersten Zeile dem Wort „#PORTO“, dies nach dem Muster:
#PORTO
1MVSTER4
In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Onlinehandel der Beklagten heißt es in Teil III („Allgemeine Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG für die Nutzung der PORTOKASSE und INTERNETMARKE (AGB Internetmarke) und Mobile Briefmarke“) im zweiten Abschnitt (Abschnitt „INTERNETMARKE und Mobile Briefmarke“) unter Ziff. 2 Abs. 3 wie folgt (vgl. Anlage K 2, Bl. 24 LG):
„Die Mobile Briefmarke ist lediglich als ad-hoc Frankierung zum sofortigen Gebrauch gedacht. Erworbene Mobile Briefmarken verlieren daher mit Ablauf einer 14-tägigen Frist nach Kaufdatum ihre Gültigkeit. Das maßgebliche Kaufdatum ist in der Auftragsbestätigung genannt. Eine Erstattung des Portos nach Ablauf der Gültigkeit ist ausgeschlossen.“
Auf die dort geregelte Gültigkeitsdauer weist die Beklagte die Verbraucher bereits vor dem Erwerb der mobilen Briefmarke hin.
Der Kläger mahnte die Beklagte wegen dieser AGB mit Schreiben vom 30.09.2021 ab und forderte sie unter Fristsetzung bis zum 14.10.2021 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und – unter weiterer Fristsetzung – zum Aufwendungsersatz auf (vgl. Anlage K 3, Bl. 30 ff. LG). Die Beklagte kam beidem nicht nach.
Der Kläger sieht in der AGB einen Verstoß gegen § 307 Abs.1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Er hat gemeint, die Bestimmung sei mit den wesentlichen Grundgedanken der §§ 195, 199 BGB nicht zu vereinbaren. Die Gültigkeitsbefristung der Mobilen Briefmarke weiche von den gesetzlichen Vorschriften ab und beeinträchtige das durch die Verjährungsvorschriften gestaltete Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung erheblich. Verbraucher könnten an einem Einsatz der Codes innerhalb der kurzen Gültigkeitsfrist ohne Verschulden gehindert sein. Nach Ablauf der Gültigkeit sei eine Auszahlung des Wertes ausgeschlossen. Es sei lebensfremd, dass Verbraucher nicht mehr als acht Ziffern fehlerfrei übertragen könnten. Für eine Beschränkung der Gültigkeit bestehe kein Bedürfnis. Wenn man 62 nutzbare Zeichen zugrunde lege (52 Groß- und Kleinbuchstaben plus zehn Ziffern), würden sich für den Code über 218 Billionen Kombinationsmöglichkeiten ergeben, bei 36 nutzbaren Zeichen (26 Großbuchstaben plus zehn Ziffern) immer noch über 2 Billionen.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft zu unterlassen, in Bezug auf Verträge mit Verbrauchern über den Erwerb von Porto-Codes zur Frankierung von Briefen und Postkarten (Mobile Briefmarke) die folgende oder eine inhaltsgleiche Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden
[. . .]“Erworbene Mobile Briefmarken verlieren daher mit Ablauf einer 14-tägigen Frist nach Kaufdatum ihre Gültigkeit. [. .. ] Eine Erstattung des Portos nach Ablauf der Gültigkeit ist ausgeschlossen.;
2. an den Kläger 260,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält die angegriffene Klausel für gültig. Die 14-tägige Gültigkeitsdauer der „mobilen Briefmarke“ sei ein mit dem Produkt untrennbar verbundenes Leistungsmerkmal. Die mobile Briefmarke sei als Ad-Hoc-Produkt konzipiert worden, welches Kunden die Möglichkeit geben solle, die Briefdienstleistungen der Beklagten spontan und ohne die sonst notwendigen üblichen (technischen) Voraussetzungen, d.h. Drucker, Papier oder das Zur-Handhaben einer Briefmarke, mobil zu nutzen. Bei der Gestaltung des Produktes sei es notwendig, sowohl den Kundeninteressen, als auch den operativen Anforderungen hinsichtlich Erkennbarkeit und Richtigkeit des handschriftlich notierten Codes gerecht zu werden. Dies mache es insbesondere erforderlich, den Code möglichst einfach und kurz zu halten, um ihm die Komplexität und Fehleranfälligkeit beim Notieren und Auslesen zu nehmen. Umfangreiche Tests mit Verbrauchern hätten ergeben, dass bis zu acht Ziffern noch fehlerfrei von Verbrauchern richtig übertragen werden, während bei mehr als acht Ziffern die Fehlerrate drastisch ansteige. Ohne eine begrenzte Leistungszeit für dieses Produkt sei der wesentliche Vertragsinhalt logischerweise unmöglich. Jede Verlängerung der Leistungszeit würde zu Überschneidung mit Produkten anderer Verbraucher führen und ein Chaos verursachen. Wegen der einfachen Nutzbarkeit sei die begrenzte Gültigkeit dem Produkt immanent. Gerade aufgrund der einfachen Handhabbarkeit des Codes und der begrenzten Anzahl von Ziffern sei das Produkt bei Verbrauchern außerordentlich beliebt. Die Beklagte verkaufe im Jahr über 12 Mio. “mobile Briefmarken“ (bis zu 40.000 täglich, ca. 1 Mio. im Monat). Die hohe Anzahl der verkauften „mobilen Briefmarken“ einerseits und die begrenzte Anzahl von Zeichen hätten jedoch zur Folge, dass zur Sicherung des Produktes und zur Vermeidung von Missbrauch die Gültigkeit der Codes zeitlich begrenzt werden müsse. Darüber hinaus sei der Code, der beim Kauf erworben werde, im Gegensatz zur Briefmarke, die „anonym“ sei, (kauf-) individualisiert und werde nur dem jeweiligen Käufer für diesen Zeitraum erteilt. Infolge dessen stehe nur eine begrenzte Anzahl an Codes zur Verfügung, so dass ein einmal verkaufter Code nach einer gewissen Karenzzeit wieder anderen Kunden zur Verfügung gestellt werden müsse. Der Code könne daher nur 14 Tage gültig sein.
Die Regelung einer begrenzten Gültigkeit der „mobilen Briefmarke“ sei im Übrigen weder unangemessen noch eine wesentliche Abweichung von gesetzlichen Regelungen. Der Verbraucher werde nicht einseitig benachteiligt, sondern durch ein besonders einfach zu handhabendes Produkt begünstigt. Das Produkt sei nicht vergleichbar mit dem Erwerb einer Briefmarke, die für den späteren Gebrauch aufbewahrt werden könne oder sogar nicht zum Frankieren, sondern zum Sammeln erworben werde. Der Verbraucher wolle sich den Erwerb einer klassischen Briefmarke ersparen, also nicht den Aufwand betreiben, zunächst zur nächsten Postfiliale zu gehen, um dort eine Briefmarke zu erwerben. Oder der Verbraucher wolle den Brief oder die Postkarte zu einer Zeit versenden, an denen die Postfiliale geschlossen habe. Jede Ausdehnung der Gültigkeitsdauer würde eine deutliche Zunahme an notwendigen Zeichen bedeuten, was der einfachen Handhabbarkeit des Produktes zuwiderliefe. Es sei daher unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nicht unangemessen, die Gültigkeit des Codes für dieses spezielle Produkt zu begrenzen. Auch die Nutzbarkeit verderblicher Produkte, wie z.B. Lebensmittel oder Arzneimittel, sei eingeschränkt. Durch die Angabe eines Mindesthaltbarkeitsdatums werde de facto die Nutzung des Produkts begrenzt und die Haftung des Verkäufers für Produktmängel nach Ablauf dieses Datums zulässigerweise ausgeschlossen. Die „mobile Briefmarke“ sei aufgrund ihres nur achtstelligen Codes auch nur begrenzt haltbar. Darüber hinaus sei kein Verbraucher angehalten oder gar gezwungen, zur Frankierung eine „mobile Briefmarke“ zu erwerben. Die Beklagte biete mit ihren physischen Briefmarken eine Möglichkeit zur Frankierung an, die keine Gültigkeitsgrenze kennt. Auch eine weitere komfortable Lösung mit der Internetmarke könne genutzt werden, denn der Kunde habe auch die Möglichkeit, online eine Briefmarke zu erwerben und diese auszudrucken. Innerhalb der Gültigkeitsdauer könne der Verbraucher natürlich seinen Einkauf stornieren.
Die Gültigkeitsregelung sei nicht vergleichbar mit der Verjährung eines Anspruchs. So könne der Anspruch auf Rückforderung des Entgeltes innerhalb der Fristen der §§ 195 ff. BGB geltend gemacht werden, falls er wider Erwarten von der Beklagten nicht erfüllt würde. Es könne bezüglich der gesetzlichen Verjährungsfrist vorliegend im Übrigen nicht auf § 195 BGB abgestellt werden, sondern auf die transportrechtliche Bestimmung des § 439 HGB. Auch im Fall des Verlustes der Sendung könne der Anspruch auf Ersatz entsprechend den gesetzlichen Regelungen und entsprechend den AGB der Beklagten für Briefdienstleistungen innerhalb der Verjährungsfrist des § 439 HGB geltend gemacht werden. Voraussetzung für den Rückforderungsanspruch, der der gesetzlichen Verjährung unterliege, sei lediglich, dass die Erstattung binnen 14 Tagen, also innerhalb der Gültigkeitsdauer, erklärt werde. Im Frachtrecht und damit auch im Verbraucherrecht gebe es sehr wohl Ausschlussfristen, so z.B. für das Beförderungsrecht von Passagiergepäck und im Frachtrecht die Ausschlussfrist des § 438 Abs. 4 HGB. Auch orientiere sich die Beklagte an der gesetzlich normierten 14-tägigen Widerrufsfrist. Ferner seien auch anderen Rechtsgebieten, wie dem Personenbeförderungsrecht, die zeitlich begrenzte Gültigkeit von Fahrkarten nicht unbekannt.
2. Der Kläger hat in der ihm in der mündlichen Verhandlung vom 22.09.2022 nachgelassenen Replik den Sachvortrag der Beklagten im Wesentlichen mit Nichtwissen bestritten. Dem nachfolgenden Antrag der Beklagten, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, ist das Landgericht nicht nachgekommen.
Das Landgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Klage sei zulässig, der Kläger nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 UKlaG sowie § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG i.V.m. § 4 UKlaG klagebefugt und aktivlegitimiert. Es bestehe ein Anspruch nach § 1 UKlaG, da die angegriffene Klausel die Verbraucher im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen benachteilige.
Der Anwendungsbereich von §§ 307 ff. BGB sei eröffnet. Die Auslegung der beanstandeten AGB der Beklagten ergebe, dass diese keine bloße Leistungsbeschreibung enthalte. Die Gültigkeitsbefristung sei für die Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts entbehrlich.
Es liege auch eine unangemessene Benachteiligung i.S. des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB vor. Das bürgerliche Recht kenne für Verpflichtungen aus schuldrechtlichen Verträgen im Allgemeinen nur das in den §§ 194 ff. BGB im Einzelnen geregelte Rechtsinstitut der Verjährung, nicht dagegen besondere, von der Frage der Verjährung unabhängige Ausschlussfristen. Der Erwerb der mobilen Briefmarke sei als Kaufvertrag einzustufen, so dass § 439 HGB keine Anwendung finde. Die angegriffene Klausel ziele auf eine Benachteiligung der Verbraucher im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung der §§ 195, 199 BGB ab. So werde der Zeitraum, in dem die unmittelbare Geltendmachung des Anspruchs – die Beförderung eines mit der mobilen Briefmarke versehenen Briefes bzw. einer Postkarte – möglich ist, auf einen minimalen Bruchteil (ca. 1 %) des vom gesetzlichen Leitbild Vorgesehenen herabgesetzt. Es lägen keine anerkennenswerten höherrangigen oder zumindest gleichwertigen Interessen der Beklagten für eine derartige Regelung vor. Der Vortrag der Beklagten, die zeitliche Begrenzung sei wegen der begrenzten Verfügbarkeit einer bestimmten Anzahl von Codes erforderlich, sei nicht nachvollziehbar. Selbst wenn für die Generierung der achtstelligen Codes lediglich Ziffern verwendet würden, bestünden 100.000.000 Möglichkeiten für die Erstellung verschiedener Codes. Unter Zugrundelegung des behaupteten Umfangs von 12 Mio. verkauften mobilen Briefmarken pro Jahr würde die Anzahl der Codes für einen Zeitraum von acht Jahren und vier Monaten ausreichen. Auch der Verweis auf eine bestehende Missbrauchsgefahr sei nicht geeignet, die durch die angegriffenen Klauseln bewirkte Beschneidung der Verbraucherrechte zu rechtfertigen. Es handele sich insoweit um Folgen, die in dem von der Beklagten zur Steigerung ihres Umsatzes selbst gewählten Geschäftsmodell angelegt und daher nicht zu berücksichtigen seien. Es obliege der Beklagten, ihr System derart zu gestalten, dass eine mehrfache Verwendung von Codes erkannt und verhindert werde. Jedenfalls folge die Unangemessenheit daraus, dass bei Nichtnutzung der mobilen Briefmarke innerhalb der gesetzten Gültigkeitsdauer der ersatzlose Entzug des Anspruchs auf Beförderung der Briefe/Postkarten folge. Denn nach Ablauf der Frist von 14 Tagen sei eine Erstattung des geleisteten Betrages gerade nicht vorgesehen.
Die Beklagte führe nur dazu aus, dass eine Stornierung innerhalb der 14 Tage nach Erwerb möglich sei und der gezahlte Betrag auf das getätigte Bezahlmittel erstattet werde.
Der Anspruch auf Zahlung der Abmahnkosten folge aus § 5 UKlaG i.V.m. § 13 Abs. 3 UWG.
Ein Grund, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, liege nicht vor. Soweit nach der Replik bestimmter Tatsachenvortrag der Beklagten streitig sei, führe dies auch bei Wahrunterstellung des Tatsachenvortrages der Beklagten nicht zu einem anderen Ergebnis. Soweit die Replik der Klägerin neuen Tatsachenvortrag enthalte, sei dieser nicht entscheidungserheblich.
4. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie Rechts- und Verfahrensfehler geltend macht.
Der „Portocode“ sei nicht als „Gutscheincode“ anzusehen, sondern sei ein Produktgutschein. Direkt im Buchungsprozess müsse der Kunde ein Briefprodukt auswählen. Der Kunde bezahle also die Fracht im Voraus, genauso wie ein Bahnkunde oder ein Reisender das (Bahn-) Ticket im Voraus bezahle. Produkte unterlägen regelmäßigen Preisanpassungen. Deshalb müsse die Gültigkeit von Bahntickets, Reisegutscheinen und auch „Portocodes“ begrenzt werden.
Bei der Gestaltung des Produktes müsse die Beklagte sowohl den Kundeninteressen als auch den operativen Anforderungen der Sortiermaschinen in Briefzentren hinsichtlich Erkennbarkeit und Richtigkeit des handschriftlich notierten Codes gerecht werden, auch um zeitliche Verzögerungen der Sendung beim Transport zu vermeiden. Dies mache es insbesondere erforderlich, den Code möglichst einfach und kurz zu halten, um ihm die Komplexität und Fehleranfälligkeit beim Notieren und maschinellen Auslesen zu nehmen, um eine manuelle Nachbearbeitung zu vermeiden. Deshalb sei es zur Vermeidung von Wiederholungen des Codes innerhalb eines bestimmten Zeitraums notwendig, die Gültigkeit des Codes zeitlich zu begrenzen. Um Übertragungsfehler auszuschließen und insbesondere die Handschrift aller Kunden vom Scanner lesbar zu machen, seien ähnliche Zeichen nicht nutzbar. So schließe die Ziffer „1“ die Nutzung der Buchstaben „I“ und „J“ aus, die Ziffer „5“ die Nutzung des Buchstaben „S“, die Ziffer „0“ die Nutzung des Buchstabens „O“ und die Ziffern „3“ und „8“ die Nutzung des Buchstabens „B“. Es kämen lediglich große Buchstaben in Betracht, weil diese von der Handschrift der Kunden präziser umgesetzt würden als Kleinbuchstaben. Es könnten für den „Portocode“ daher nur maximal 23 Zeichen verwendet werden. Des Weiteren stünden vom achtstelligen Code nur sechs Nutzzeichen zur Berechnung zur Verfügung, da zwei Zeichen für Entgeltsicherungsmaßnahmen als Prüfziffer und Korrekturziffer in der Kryptographie eingesetzt würden, was Voraussetzung für eine maschinelle Bearbeitung sei. Für Entgeltsicherungsmaßnahmen müssten die generierten Codes ebenfalls analog der Vorhaltezeit in der Datenbank gespeichert werden. Hinzu werde auch eine interne Karenzzeit von 14 Tagen eingerechnet, wenn der Brief z.B. am letzten Tag der Gültigkeitsfrist eingeworfen werde. Eine Erweiterung des Codes und damit der Nutzzahlen wäre für die Beklagte eine unangemessene Benachteiligung. Denn es entstünden sehr hohe Aufwände für die Anpassung der technischen Systeme sowie die Erweiterung aller Sortiermaschinen in allen bundesweiten Briefzentren. Eine Wirtschaftlichkeit des „Portocodes“ wäre somit nicht mehr gegeben. Auch nach den 14 Tagen seien Kulanzerstattungen in der Vergangenheit möglich gewesen.
Das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft eigene „Rechenkünste“ angewandt. Auch der errechnete Zeitraum von acht Jahren und vier Monaten sei schlicht falsch. Das Landgericht habe zwar nicht die „Billionen-fachen“ Möglichkeiten aus der Argumentation des Klägers übernommen, sei aber mit seiner Begründung, es gäbe doch „100 Millionen“ Möglichkeiten, dem Kläger „auf den Leim“ gegangen.
Rechtsirrig sei die Ansicht des Landgerichts, die Gültigkeitsdauer des „Portocodes“ sei keine Regelung der Leistungsbeschreibung.
Das Landgericht habe zudem verkannt, dass der „Portocode“ die vereinbarte Fracht sei, die im Voraus bezahlt werden müsse. Der „Portocode“ sei damit die Hauptleistungspflicht des Absenders eines Frachtvertrages, so dass das für den Frachtvertrag geltende Verjährungsrecht maßgeblich sei. Auch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei auf den „Portocode“ Frachtrecht anzuwenden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Köln vom 24.10.2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Die Beklagte habe zu den bestrittenen Tatsachen schon keinen Beweis angeboten. Der Vortrag in der Berufungsbegründung zu Preisanpassungen, möglichen Kulanzerstattungen sowie zu den Entgeltsicherungsmaßnahmen erfolge verspätet und werde mit Nichtwissen bestritten. Gleiches gelte für den Vortrag zu den verwendbaren Zeichen. Selbst wenn die in der Berufungsbegründung genannten Ziffern und Buchstaben auszuschließen seien, verblieben 26 verwendbare Zeichen. Bei acht Stellen des Portocodes blieben hiernach 208 Mrd. Kombinationsmöglichkeiten, selbst bei nur sechs verwendbaren Stellen blieben noch über 309 Mio. Kombinationsmöglichkeiten. Würde man die nun von der Beklagten behaupteten Kombinationsmöglichkeiten (26 Zeichen insgesamt auf sechs Stellen = 308.915.776 Kombinationsmöglichkeiten) zugrunde legen und zudem als wahr unterstellen, dass der Portocode als ad hoc-Produkt zur sofortigen Verwendung konzipiert ist, würde sich der hieraus ergebende Verfügbarkeitszeitraum von 25,74 Jahren weiter vergrößern. Würde man im Rahmen einer Schätzung davon ausgehen, dass wenigstens 50 Prozent der Verbraucher ihren Portocode aufgrund der behaupteten ad-hoc-Verwendung sofort nutzen, stünden der Beklagten von den jährlich verkauften 12 Mio. Portocodes 6 Mio. Portocodes sofort wieder zur Verfügung.
Soweit die Beklagte behaupte, dass eine Erweiterung des Codes eine aufwändige und unwirtschaftliche Anpassung von technischen Systemen und Sortiermaschinen zur Folge habe, sei dies unsubstantiiert und unerheblich. Es sei an der Beklagten, das von ihr gewählte Geschäftsmodell von vornherein gesetzeskonform zu gestalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers gemäß § 1 UKlaG bejaht, weil die angegriffene AGB den Verbraucher unangemessen benachteiligt.
A. Der Kläger ist, wie von der Beklagten auch nicht in Frage gestellt wird, zur Geltendmachung von Ansprüchen nach § 1 UKlaG auf Unterlassung der von ihr Beklagten nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG aktivlegitimiert.
B. Das Landgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die in den AGB der Beklagten enthaltenen – und hier kenntlich gemachten – Regelungen
„Die Mobile Briefmarke ist lediglich als ad-hoc Frankierung zum sofortigen Gebrauch gedacht. Erworbene Mobile Briefmarken verlieren daher mit Ablauf einer 14-tägigen Frist nach Kaufdatum ihre Gültigkeit. Das maßgebliche Kaufdatum ist in der Auftragsbestätigung genannt. Eine Erstattung des Portos nach Ablauf der Gültigkeit ist ausgeschlossen.“
gemäß § 307 BGB unwirksam sind. Dass es sich bei der angegriffenen Klausel um eine AGB gemäß § 305 Abs. 1 BGB handelt, ist offenkundig und nicht streitig.
1. Zutreffend hat das Landgericht zunächst entschieden, dass der Anwendungsbereich von § 307 BGB eröffnet ist und eine Inhaltskontrolle der beanstandeten Klausel nicht nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB ausgeschlossen ist.
Nach § 307 Abs. 3 BGB gelten die Vorschriften der §§ 307 ff. BGB nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Klauseln, die Art, Umfang und Güte der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu bezahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen (Leistungsbeschreibungen und Preisvereinbarungen), sind dagegen von der Inhaltskontrolle ausgenommen. Es ist nach dem im bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Privatautonomie den Vertragsparteien im Allgemeinen freigestellt, Leistung und Gegenleistung zu bestimmen; mangels gesetzlicher Vorgaben fehlt es insoweit regelmäßig auch an einem Kontrollmaßstab. Die Freistellung von der Inhaltskontrolle gilt jedoch nur für Abreden über den unmittelbaren Leistungsgegenstand, während Regelungen, die die Leistungspflicht des Verwenders einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, inhaltlich zu kontrollieren sind. Damit bleibt für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung nur der enge Bereich von Regelungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann. Diese zum Kernbereich privatautonomer Vertragsgestaltung gehörenden Abreden sind von den kontrollfähigen Nebenabreden zu unterscheiden, die zwar mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben, aber nicht das Ob und den Umfang der u erbringenden Leistungen bestimmen, sondern als ergänzende Regelungen lediglich Art und Weise der Leistungserbringung und/oder etwaige Leistungsmodifikationen zum Inhalt haben (vgl. zu allem BGH NJW 2018, 534 Rn. 15 m.w.N.). Die nicht kontrollfähige Leistungsbeschreibung deckt sich hiernach im Wesentlichen mit dem Begriff der essentialia negotii (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1987 – VII ZR 37/86 – juris Rn. 56; Fuchs in: Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Recht, 13. Aufl 2022, § 307 Rn. 40). Kontrollfähig ist demgegenüber regelmäßig die rechtliche Ausgestaltung der vereinbarten Leistungspflicht nach Art und Weise oder Zeit, die Ausgestaltung der Haftung oder Gewährleistung und die Einschränkung oder Veränderung der vereinbarten Leistungspflichten, auch soweit es den Leistungsgegenstand betrifft. Durch die Inhaltskontrolle soll der Vertragspartner des Verwenders vor einseitig ausbedungener, inhaltlich unangemessener Verkürzung der vollwertigen Leistung, wie er sie nach Gegenstand und Zweck des Vertrags erwarten darf, geschützt werden (vgl. BeckOGK/Eckelt, 1.5.2023, BGB § 307 Rn. 189). Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen „einschränken, verändern oder aushöhlen”, ja sogar nur „ausgestalten” oder „modifizieren”, unterliegen der Inhaltskontrolle (vgl. BGH NJW 1987, 1931, 1935). In einer zeitlichen Gültigkeitsbeschränkung ist grundsätzlich eine Beschränkung der Hauptleistung zu sehen, die nicht kontrollfrei nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB ist (vgl. BeckOGK/Fehrenbach, 1.5.2023, BGB § 307 Verfallklausel Rn. 6 m.w.N.).
Nach dieser Maßgabe, von der auch das Landgericht ausgegangen ist, ist die beanstandete Regelung nicht von einer Inhaltskontrolle ausgenommen:
Bei dem Erwerb der „mobilen Briefmarke“ handelt es sich um einen Kaufvertrag, bei dem der wesentliche Vertragsinhalt mit den Hauptleistungspflichten der Parteien darin besteht, dass die Verbraucher gegen Zahlung eines Entgelts einen Code erhalten, der es dem jeweiligen Inhaber ermöglicht, eine Postsendung damit zu frankieren und damit einen Beförderungsanspruch geltend zu machen. Dass mit dem Erwerb der Briefmarke nicht bereits ein konkreter Frachtvertrag, sondern lediglich ein Kaufvertrag abgeschlossen wird, ergibt sich bereits aus der Vertragsgestaltung der Beklagten selbst, woran sich die Beklagte auch im Rahmen der AGB-Kontrolle messen lassen muss: Die angegriffenen Regelungen, in denen ausdrücklich auch von „Kaufdatum“ die Rede ist, finden sich unter Ziffer 2 Abs. 2 im II. Abschnitt von Teil III der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Onlinehandel. Unter Ziffer 1 Abs. 2 dieses Abschnitts wird der Geltungsbereich dieser AGB wie folgt bestimmt:
„Diese AGB gelten ausschließlich für den Erwerb der Produkte durch den Kunden, der Privatkunde ist, d.h. eine natürliche Person, die Internetmarke oder Mobile Briefmarke zu Zwecken erwirbt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können (nachfolgend „Kunde“). Für die anschließende Briefzustellung, in deren Zusammenhang die Produkte als Frankatur verwendet werden, gelten für nationale Brieftransporte die AGB BRIEF NATIONAL und für internationale Transporte die AGB BRIEF INTERNATIONAL in der zum Einlieferungszeitpunkt gültigen Fassung […]“
Sowohl in den – öffentlich zugänglichen – AGB BRIEF NATIONAL als auch in den AGB BRIEF INTERNATIONAL der Beklagten wird in der jeweiligen Ziffer 2 Nr. 1 bestimmt, dass Beförderungsverträge durch die Übergabe der Sendung und Übernahme in die Obhut der Beklagten zustande kommen. Aus den eigenen Vertragsbedingungen der Beklagten ergibt sich somit, dass Erwerbs- und Versendungsvorgang bezüglich der mobilen Briefmarke getrennt sind und eigenen vertraglichen Bestimmungen unterliegen.
Dementsprechend ergibt sich auch aus der beim Erwerbsvorgang anzuwenden App der Beklagten nichts anderes. Die App stellt ausdrücklich darauf ab, dass es um den Erwerb von Briefmarken geht, sei es um die sog. „Internetmarke“, sei es um die „mobile Briefmarke“. Nichts deutet sprachlich darauf hin, dass es um den konkreten Abschluss eines Frachtvertrages geht.
Der Erwerb der mobilen Briefmarke ist daher – ebenso wie der Erwerb einer „klassischen“ Briefmarke – nach kaufrechtlichen Bestimmungen zu beurteilen. Dies ergibt sich aus der Auslegung des angebotenen Produkts wie der Auslegung der anwendbaren AGB.
Funktionell ist die „mobile Briefmarke“ einer „klassischen“ Briefmarke gleichzusetzen. Die mobile Briefmarke wird lediglich durch einen per App erzeugten Portocode ersetzt. Preislich unterscheidet sich der Portocode von den in einer Filiale erhältlichen Briefmarken nicht.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich daher weder aus den Bezeichnungen „Mobile Briefmarke“, „Ad-Hoc-Frankierung“ noch aus der Beschreibung „Als Code zum Beschriften“, dass mit dem Erwerb des Portocode unmittelbar ein nach Zeit und Ort verbundener Transportanspruch begründet wird.
Vielmehr wird mit der „mobilen Briefmarke“ allein ein Berechtigungsnachweis für einen späteren Transport erworben, dem eine zeitliche Befristung gerade nicht immanent ist. Eine konkrete Transportleistungsbeschreibung ist mit dem Erwerb der „mobilen Briefmarke“ nicht verknüpft. Zum Zeitpunkt des Erwerbs entscheidet sich der Verbraucher vielmehr lediglich für eine der ausgewählten Produktkategorien (Standard, Kompakt Großbrief, Postkarte), wohingegen die Festlegung auf eine konkrete Sendung und einen konkreten Transportzeitpunkt nicht erfolgt. Dies wäre ggf. anders zu sehen, wenn die „mobile Briefmarke“ an einen konkreten, zeitlich festgelegten Transport geknüpft wäre, wie dies z.B. bei einer Express-Sendung der Fall ist. Für Express-Sendungen ist die „mobile Briefmarke“ jedoch nicht vorgesehen. Auch ist die „mobile Briefmarke“ nicht mit der von der Beklagten angebotenen Online-Frankierung für Päckchen oder Pakete (vgl. hierzu AGB „DHL Online Frankierung“) vergleichbar, bei dem mit dem Erwerb der Frankierung bereits eine konkrete Transportleistung verknüpft wird, indem zugleich ein Empfänger der Sendung angegeben wird.
Entgegen der Ansicht der Beklagten trifft im Übrigen auch der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 11. Oktober 2005 – XI ZR 395/04 keine Aussage zur Anwendung des Frachtrechts auf den Erwerb von Briefmarken. Die dortige Bezugnahme auf den Frachtvertrag erfolgt lediglich im Hinblick auf die vorherige Feststellung, dass eine Briefmarke einen Anspruch auf Beförderung einer Postsendung verkörpert. Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass die Tatsache, dass ein Frachtvertrag erst mit der Aufgabe der Sendung zustande kommt, der Wertung, eine Briefmarke stelle einen Anspruch auf Beförderung einer Postsendung dar, nicht entgegenstehe. Damit differenziert auch der Bundesgerichtshof zwischen dem Erwerb einer Briefmarke und einem später, durch Aufgabe der Sendung abzuschließenden Frachtvertrag.
So wie eine herkömmliche Briefmarke einen Anspruch auf Beförderung einer Postsendung in dem Umfang verkörpert, der dem aufgedruckten Wert entspricht, verkörpert daher auch der Portocode einen Anspruch gegen die Beklagte auf Beförderung eines Briefes oder einer Postkarte in dem Umfang, der dem zu diesem Portocode verknüpften Entgelt entspricht. Dieser wesentliche Vertragsinhalt kann auch ohne die Regelung bestimmt werden, dass der Portocode mit Ablauf von 14 Tagen seine Gültigkeit verliert. Die Begrenzung der Gültigkeitsdauer stellt vielmehr eine Bestimmung dar, durch die die Pflicht der Beklagten, ein mit einem Portocode versehenes Poststück zu befördern, in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt wird. Bei der Gültigkeitsbefristung des Portocodes handelt es sich somit um eine neben die Hauptleistung tretende, zusätzliche Bestimmung für dieses Geschäft, die keine für die eigentlichen Hauptleistungen − den Leistungsaustausch Frankier-Code gegen Geld − notwendige Regelung enthält. Auch gültigkeitsbeschränkende Klauseln bei Prepaid-Telefonkarten unterliegen nach dieser Maßgabe einer Inhaltskontrolle (vgl. BGH NJW 2001, 2635; OLG Köln Urt. v. 7.3.2003 – 6 U 137/02, BeckRS 2003, 30310553; OLG München NJW 2006, 2416, 2417).
Soweit die Argumentation der Beklagten darauf abzielt, dass die Befristung als integrales Element der Hauptleistungspflicht nach § 307 Abs. 3 S. 1 kontrollfrei sei, weil die Beklagte die Leistung eben nur als zeitlich befristete anbiete, ist dem nicht zu folgen. Vielmehr muss das Hauptleistungsversprechen von der Befristung dieses Versprechens als beschränkende Nebenabrede getrennt werden. Auch geht der Verweis der Beklagten auf die Formulierung des Bundesgerichtshofs fehl, wonach Regelungen, die das „Ob und den Umfang der zu erbringenden Leistungen bestimmen“, zur Leistungsbeschreibung gehören (vgl. BGH NJW 2018, 534). Die Entscheidungsbegründung des Bundesgerichtshofs ist vielmehr in Gänze zu sehen und zielt auf die Abgrenzung zwischen den einer Inhaltskontrolle entzogenen essentialia negotii und den hinzutretenden Regelungen bezüglich der Art und Weise oder Zeit der Leistungserbringung ab. Die von der Beklagten gewählte Regelung zur Gültigkeit der mobilen Briefmarke, d.h. zum „Wie lange“, fällt hierbei unter letzteres. Würde man der Argumentation der Beklagten folgen, könnte praktisch jede Modifikation oder Einschränkung der Leistungspflicht als Bestimmung des „Ob“ oder des „Umfangs“ der zu erbringenden Leistungen angesehen werden und wäre somit einer Inhaltskontrolle entzogen.
Der von der Beklagten herangezogene Vergleich zu Mindesthaltbarkeitsdaten bei Lebensmitteln überzeugt nicht. Bei der Angabe eines Mindesthaltbarkeitsdatums handelt es sich um eine gesetzliche Pflicht (vgl. § 7 LMKV), die an die spezifischen, den Produkten immanenten Eigenschaften anknüpft.
2. Zu Recht hat das Landgericht entschieden, dass die angegriffene Klausel unwirksam ist. Die Unwirksamkeit folgt aus § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen; die Unangemessenheit ist zu verneinen, wenn die Benachteiligung des Vertragspartners durch höherrangige oder zumindest gleichwertige Interessen des Verwenders gerechtfertigt ist (vgl. BGH NJW 2005, 1774, 1775 m. w. N.). Eine solche unangemessene Benachteiligung ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
Nach dieser Maßgabe, von der auch das Landgericht ausgegangen ist, ist eine unangemessene Benachteiligung vorliegend zu bejahen.
a. Zu den wesentlichen Grundgedanken der für schuldrechtliche gegenseitige Verträge geltenden Regeln des bürgerlichen Rechts gehört – wie das Landgericht zutreffend ausführt – das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung (vgl. BGH NJW-RR 2007, 1124 Rn. 28 m. w. N.). Im Falle eine temporalen Verfallfrist – wie vorliegend – wird in das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung eingegriffen, weil der Verwendungsgegner zwar den Preis für die Leistung bezahlt hat, ihm die Gegenleistung aber nur befristet zustehen soll und zeitlich über die Verjährungsregelungen hinaus beschränkt wird (vgl. BGH NJW 2001, 2635, 2637). Temporale Verfallklauseln sind daher an § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu messen, wobei der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB eine Leitbildfunktion zukommt (vgl. BeckOGK/Fehrenbach, 1.5.2023, BGB § 307 Verfallklausel Rn. 9 m.w.N.). Das bürgerliche Recht kennt für Verpflichtungen aus schuldrechtlichen Verträgen im Allgemeinen nur das in den §§ 194 ff. BGB im Einzelnen geregelte Rechtsinstitut der Verjährung, nicht dagegen besondere, von der Frage der Verjährung unabhängige Ausschlussfristen (vgl. BGH NJW 2001, 2635, 2637; OLG München, Urteil vom 17. Januar 2008 – 29 U 3193/07 –, juris Rn. 29). Vorliegend ist bei der Bewertung auch auf die für Kauferfüllungsansprüche geltende regelmäßige Verjährung gemäß § 195 BGB und nicht auf die für Frachtverträge geltende einjährige Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 BGB abzustellen. Dies folgt bereits aus der von der Beklagten selber vorgesehenen vertraglichen Trennung von Erwerb und späterer Beförderung. Auf obige Ausführungen wird insoweit Bezug genommen.
Durch die zeitliche Beschränkung des Erfüllungsanspruchs auf 14 Tage ab Kaufdatum greift die Beklagte in das durch §§ 194 ff. BGB ausgeprägte Äquivalenzverhältnis ein.
Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, kann zwar nicht jede zeitliche Begrenzung der Gültigkeitsdauer als nicht hinnehmbare Verletzung des Äquivalenzprinzips und unangemessene Benachteiligung des Kunden angesehen werden. Denn solche Ausschlussfristen sind, obwohl im Gesetz in aller Regel nicht vorgesehen, in weiten Bereichen üblich und werden unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der beiderseits Beteiligten häufig als nicht unangemessen angesehen (vgl. BGH NJW 2001, 2635 Rn. 29 unter Verweis auf die Entscheidung BGH NJW 1991, 1745, in der eine 13-wöchige Ausschlussfrist für die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen aus der Spielteilnahme bei der Pferdewette „RennQuintett” als wirksam erachtet wurde). Durch die Abkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist von dreißig Jahren (vgl. § 195 BGB a.F.) auf drei Jahre (vgl. § 195 BGB) im Rahmen der Schuldrechtsreform hat der Gesetzgeber allerdings bereits den Interessen der Schuldner Rechnung getragen; damit haben sich die Anforderungen an die Rechtfertigung von AGB, die eine kürzere als die gesetzliche Verjährungsfrist zur Anspruchsdurchsetzung statuieren, erhöht (vgl. OLG München NJW-RR 2008, 1233).
Vorliegend hat das Landgericht zudem richtigerweise darauf abgestellt, dass es sich um eine erhebliche zeitliche Beschränkung des Erfüllungsanspruchs handelt. Denn durch die Beschränkung der Gültigkeit auf 14 Tage wird der Erfüllungsanspruch auf etwa 1% der gesetzlich vorgesehenen Verjährungsfrist verkürzt (14/1095*100=1,28%). Bereits bei einer Gültigkeitsbeschränkung auf 1/3 der gesetzlichen Verjährung wurde eine unangemessene Einschränkung des Äquivalenzprinzips angenommen (vgl. OLG München, NJW-RR 2008, 1233, 1234).
Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 11. Oktober 2005 (– XI ZR 395/04 – juris dort Rn 27 ff.) eine Beschränkung der Nutzungsdauer von Briefmarken durch eine Gültigkeitsdauer nicht gebilligt. Die Entscheidung betraf die Frage, ob die dortige Beklagte berechtigt war, die Umtauschmöglichkeit von Postwertzeichen, deren Nennwert in Deutsche Mark oder in Pfennig angegeben war, und die mit Wirkung vom 1. Juli 2002 für ungültig erklärt worden waren, auf 1 Jahr zu befristen. Streitgegenstand war hiernach nicht die Rechtmäßigkeit einer Beschränkung der Nutzungsdauer (gültiger) Briefmarken durch eine Gültigkeitsdauer. Die Briefmarken waren vielmehr bereits zuvor durch das Bundesministerium für Finanzen für ungültig erklärt worden. Soweit der Bundesgerichtshof die Umtauschfrist von 1 Jahr nicht beanstandet hat, beruhte dies auf der Wertung, dass das Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung durch die Unwirksamkeitserklärung der Briefmarken gestört worden war. Der Bundesgerichtshof hielt es deswegen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung für erforderlich, den Inhabern der Briefmarken ein Umtauschrecht einzuräumen, wobei er eine Beschränkung von 1 Jahr nach Abwägung der konkreten Interessen der Parteien für gerechtfertigt hielt. Eine vergleichbare Situation besteht vorliegend nicht.
Die Auffassung der Beklagten (vgl. Klageerwiderung, Bl. 74 ff. LG), es werde vorliegend überhaupt nicht vom Verjährungsrecht abgewichen, weil Verbraucher einen Anspruch auf Rückforderung innerhalb der Fristen der §§ 195 ff. BGB geltend machen könnten und auch im Fall des Sendungsverlustes die volle gesetzliche Verjährungsfrist greife (§ 439 HGB), überzeugt nicht. Wie bereits ausgeführt, greift das frachtrechtliche Verjährungsrecht nicht, da sich der Erwerb der mobilen Briefmarke allein nach Kaufrecht richtet.
Aus diesen Erwägungen kann sich die Beklagte auch nicht auf die Rechtsgrundlagen berufen, die dem Frachtrecht zuzuordnen sind. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob Ausschlussfristen bzw. befristete Schadensanzeigen i.S.d. Art. 31 Abs. 2 des Montrealer Übereinkommens und des § 438 HGB vorliegend überhaupt auf die 14 Tage – Regelung anwendbar wären.
b. Wie oben bereits ausgeführt, kann nicht jede zeitliche Begrenzung der Gültigkeitsdauer als nicht hinnehmbarer Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip angesehen werden. Eine von der regelmäßigen Verjährungsfrist abweichende temporale Ausschlussklausel ist aber nur dann wirksam, wenn sie durch ein berechtigtes Interesse des Verwenders ausgeglichen wird (vgl. BeckOGK/Fehrenbach, 1.5.2023, BGB § 307 Verfallklausel Rn. 9; Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Recht, 13. Aufl. 2022, § 307 BGB Rn. 215). Die Unangemessenheit der Klausel ist zu verneinen, wenn die Benachteiligung des Vertragspartners durch höherrangige oder zumindest gleichwertige Interessen des Verwenders gerechtfertigt ist (vgl. BGH NJW 2005, 1774, 1775).
Solche Interessen lassen sich vorliegend nicht feststellen. Hierbei bedarf es keiner Entscheidung, ob die von der Beklagten vorgetragenen Gesichtspunkte grundsätzlich geeignet sein könnten, ein schützenswertes Interesse an einer zeitlichen Befristung der „mobilen Briefmarke“ zu begründen. Jedenfalls hat die Beklagte ein berechtigtes Interesse für den in der angegriffenen AGB liegenden Eingriff in das Äquivalenzverhältnis nicht darzulegen vermocht.
aa. Die Beklagte stellt maßgeblich darauf ab, dass bei den zur Verfügung stehenden Stellen des Portocodes die Verfügbarkeit aufgrund der beschränkten Anzahl von Kombinationen zeitlich begrenzt werden müsse, um Überschneidungen und Chaos zu vermeiden und eine einfache Handhabung zu gewährleisten. Dieser Gesichtspunkt vermag die zeitliche Befristung auf nur 14 Tage aber nicht zu rechtfertigen.
Der Senat hält es zwar für ein nachvollziehbares Interesse der Beklagten, den Code auf eine praktikable und einfach zu handhabende Länge zu beschränken. Denn es liegt auf der Hand, dass mit jeder weiteren Stelle und jedem weiteren Zeichen das Risiko steigt, dass der Code fehlerhaft übertragen wird oder maschinell schlechter lesbar ist. Dies macht auf Seiten der Beklagten ggf. eine aufwändigere Nachkontrolle erforderlich und kann letztlich dazu führen, dass eine Sendung verzögert oder überhaupt nicht versandt wird. Ein möglichst kurzer und einfach zu handhabender Code liegt daher nicht nur im Interesse der Beklagten, sondern trägt auch dem Interesse der Verbraucher an einer zügigen und reibungslosen Abwicklung Rechnung. Dies gilt umso mehr, als eine objektive Plausibilitäts- oder Fehlerkontrolle der Beschriftung – anders als etwa bei Eingaben von Codes per Computer – vor Einwurf der Sendung in den Briefkasten nicht erfolgt. Vor diesem Hintergrund verfängt der Verweis des Klägers auf deutlich längere Codes z.B. bei Amazon-Gutscheinen nicht.
Aber selbst wenn man der Beklagten vor diesem Hintergrund zubilligt, den Portocode auf insgesamt acht Stellen zu beschränken und besonders verwechslungsanfällige Zeichen nicht zu verwenden, ergibt sich hieraus nicht die Notwendigkeit, die Gültigkeit des jeweiligen Portocodes auf lediglich 14 Tage zu beschränken. So mag zwar die Annahme des Landgerichts, es ließen sich mit den zur Verfügung stehenden Zeichen 100 Mio. Codes generieren, von falschen Annahmen ausgehen, weil nicht sämtliche Ziffern und nur sechs Stellen für die Generierung der Codes zur Verfügung stehen. Die Beklagte hat jedoch ihrerseits weder erstinstanzlich noch in der Berufungsbegründung konkret dargelegt, wie viele Codes generiert werden können. Sie hat zwar in der Berufungsbegründung vorgetragen, dass aus Gründen der besseren Lesbarkeit und des Ausschlusses einer Verwechslungsgefahr nicht sämtliche Buchstaben und Ziffern und von den Buchstaben nur Großbuchstaben genutzt werden könnten. Alleine hieraus lässt sich jedoch nicht im Ansatz nachvollziehen, warum es bei einer längeren Gültigkeitsdauer des einzelnen Codes zu Überschneidungen kommen sollte. Denn es würden sich – wie der Kläger in seiner Berufungserwiderung dargelegt hat – selbst unter Zugrundelegung des Vortrags der Beklagten in der Berufungsbegründung immer noch 26 nutzbare Zeichen (21 Großbuchstaben und 5 Ziffern) und damit rechnerisch 26hoch6 = 308.915.776 mögliche Kombinationen für einen Portocode ergeben, was über die Annahme des Landgerichts sogar noch hinausgeht.
Die Beklagte hat sich erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat konkret zu der Anzahl möglicher Codes geäußert. So könnten bei einer Gültigkeitsdauer von – wie derzeit – 14 Tagen täglich 10 Mio. Codes generiert werden, wohingegen bei einer Vorhaltefrist von 4 Jahren maximal 100.000 Codes am Tag generiert werden könnten. Auch wenn man diesen – bestrittenen und nicht näher konkretisierten – Vortrag zu Gunsten der Beklagten als zutreffend unterstellt, kann dies eine Gültigkeitsdauer des Portocodes von nur 14 Tagen nicht rechtfertigen. Denn bei 100.000 möglichen Codes pro Tag könnte die Beklagte jährlich immer noch 36,5 Mio. Codes generieren, womit die derzeit angegebene Nachfrage von jährlich 12 Mio. „mobilen Briefmarken“ mehr als drei Mal abgedeckt wäre. Auch wenn man zu Gunsten der Beklagten einen „Sicherheitspuffer“ und eine zukünftig ansteigende Nachfrage bei Privatkunden berücksichtigt, ist die Beschränkung der Gültigkeitsdauer auf nur 14 Tage hiernach nicht mit dem Argument zu begründen, dass nur eine begrenzte Anzahl von Kombinationen zur Verfügung steht. Dies gilt umso mehr, als angesichts der Konzeption des Portocodes davon auszugehen ist, dass zahlreiche Portocodes nicht bis zum Ablauf der Gültigkeitsdauer vorgehalten werden, sondern zeitnah eingesetzt
werden und damit für einen Neuvergabe wieder zur Verfügung stehen. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung – erstmals – angedeutet hat, dass eine Nachfrage nach Portocodes beträchtlich steigen könnte, wenn man das Angebot über das Internet auf gewerbliche Kunden ausweitet, vermag dies an der Bewertung nichts zu ändern. Die Beklagte hat den Portocode als Produkt für Verbraucher konzipiert und auf den Markt gebracht und muss die hierfür verwendeten AGB hieran messen lassen.
Die bloße Überlegung, den Portocode zukünftig weiteren Kundenkreisen zu öffnen, kann den seit Produkteinführung bestehenden Eingriff in das Äquivalenzverhältnis gegenüber Privatkunden nicht rechtfertigen. Dies hätte zur Folge, dass der Eingriff in das Äquivalenzverhältnis auch dann bestehen bliebe, wenn die Beklagte von einer Ausweitung des Produktes Abstand nimmt. Zudem ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht, dass selbst bei Ausweitung des Produktes mit einer Nachfrage in einer Größenordnung zu rechnen wäre, die die zeitliche Befristung auf nur 14 Tage rechtfertigt. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung auch letztlich eingeräumt, dass die Festlegung auf 14 Tage weniger einer technischen Notwendigkeit als einer rechtlichen Maßgabe folgt, und sich insoweit am gesetzlichen Widerrufsfrist von 14 Tagen orientiert (vgl. § 355 Abs. 2 S. 1 BGB).
bb. Soweit die Beklagte auf eine Missbrauchsgefahr bei längerer Gültigkeit des Portocodes verweist, hat sie dies nicht schlüssig begründet. Zwar mag die Vermeidung von Missbrauch bei der vertraglichen Regelung grundsätzlich ein anerkennungswertes Interesse des AGB-Verwenders sein (vgl. BGH NJW 2001, 2635 Rn. 32). Vorliegend ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten jedoch nicht, worin die Missbrauchsgefahr konkret besteht und warum es erforderlich ist, die Gültigkeit des Portocodes derart weitgehend zu beschränken, um der Missbrauchsgefahr zu begegnen.
cc. In der Berufungsbegründung hat die Beklagte geltend gemacht, der „Portocode“ werde nicht als „Gutscheincode“ zur Verfügung gestellt, sondern als „Produktgutschein“ für ein direkt im Buchungsprozess ausgewähltes Briefprodukt. Der Kunde bezahle also die Fracht für die Beförderung des Briefes oder der Postkarte im Voraus, genauso wie ein Bahnkunde oder ein Reisender sein (Bahn-) Ticket im Voraus bezahle. Da Produkte regelmäßigen Preisanpassungen unterlägen, müsse die Gültigkeit von Bahntickets, Reisegutscheinen und auch des „Portocodes“ begrenzt werden. Auch diese Erwägungen rechtfertigen die Gültigkeitsbeschränkung auf 14 Tage nicht:
Hier ist erneut darauf zu verweisen, dass die Beklagte die mobile Briefmarke dem Kaufrecht zuordnet und gerade kein zeitlich bestimmter Transportanspruch Gegenstand des Erwerbs ist.
Im Übrigen gilt: Selbst wenn bei Gutscheinen, die zum Bezug spezifischer Leistungen und Produkte berechtigen, ein anderer Maßstab anzulegen wäre als bei Gutscheinen für beliebige Leistungen des Verwenders, weil der Aussteller ein schützenswertes Interesse daran hat, seine angebotenen Leistungen nach einiger Zeit zu ändern oder anzupassen und ihm nicht zugemutet werden kann, sich über einen längeren Zeitraum leistungsbereit zu halten (vgl. BeckOGK/Fehrenbach, 1.2.2023, BGB § 307 Verfallklausel Rn. 13), greift das Argument hier nicht. So hat das Landgericht Berlin (Urt. v. 25.10.2011 – 15 O 663/10, BeckRS 2012, 17713) es bei einem Vertrieb von Rabatt-Gutscheinen (Coupons) von verschiedenen Partnerunternehmen nicht beanstandet, dass der Vertreiber der Gutscheine auf die von dem Partnerunternehmen für den Gutschein vorgesehene Gültigkeitsdauer verweist, die ggf. unterhalb der Verjährungsfrist liegt. Ausschlaggebend für die Bewertung des Landgerichts Berlin war es, dass den Verbrauchern die Leistungen der Partnerunternehmen zu vergünstigten Preisen angeboten werden, die ganz erheblich unter den üblicherweise für eine vergleichbare Leistung verlangten Preisen liegen und somit Sonderangebote darstellen. Um einen solchen Fall geht es vorliegend jedoch nicht. Wie bereits ausgeführt, entscheiden sich die Verbraucher beim Erwerb des Portocodes nur für eine Produktkategorie, ohne dass hiermit eine konkrete Transportleistungsbeschreibung verknüpft ist. Aus diesem Grund verfängt auch der Vergleich zu einem Bahnticket nicht, das für eine bestimmte Strecke oder Zugverbindung erworben wird.
Auch der Aspekt der Preisanpassung vermag eine Gültigkeitsdauer der „mobilen Briefmarke“ von nur 14 Tagen nicht zu begründen. Zwar mag es – anders als bei dem Erwerb einer herkömmlichen Briefmarke oder einer Internetmarke – technisch nicht bzw. nicht ohne weiteres möglich sein, im Wege des Portocodes eine ggf. geringfügige zusätzliche Frankierung anzubieten, wenn sich zwischen dem Erwerb des Codes und dessen beabsichtigter Verwendung die Preise für die Beförderung geändert haben. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, die Gültigkeit sämtlicher Portoodes, die unabhängig von und ggf. längere Zeit vor einer Preisanpassung erworben worden sind, in ihrer Gültigkeit derart weitgehend einzuschränken.
Soweit die Beklagte schriftsätzlich andeutet, dass sich bei einer anderen, längeren Gültigkeit des Portocodes der technische Aufwand nicht rechne, ist darauf zu verweisen, dass mit dem Preisargument die Angemessenheit einer AGB grundsätzlich nicht zu begründen ist (vgl. Grüneberg-Grüneberg 82. Aufl. 2023, § 307 BGB Rn. 18).
dd. An der unangemessenen Benachteiligung der Verbraucher ändert es schließlich nichts, dass die Möglichkeit besteht, die Bestellung einer Briefmarke binnen 14 Tagen kostenlos zu stornieren oder zu widerrufen.
Eine benachteiligende Klausel verliert nicht dadurch ihre Wirkung, dass im Gesamtvertrag für den Kunden auch positive Regelungen enthalten sind. Die Unangemessenheit einer AGB-Bestimmung kann deshalb nur von mit ihr in Zusammenhang bzw. Wechselbeziehung stehenden (konnexen) Regelungen kompensiert werden, die den Benachteiligungseffekt wieder aufheben und damit neutralisieren (vgl. Roloff/Looschelders in: Erman BGB, 16. Aufl. 2020 § 307 Rn. 11 m.w.N.). Vorliegend fehlt es bereits an der erforderlichen Wechselbeziehung zwischen der kurzen Gültigkeitsdauer und dem eingeräumten Stornierungsrecht, weil den Verbrauchern bei jedem Fernabsatzvertrag ein 14-tägiges Widerrufsrecht von Gesetzes wegen zusteht (vgl. §§ 312c, 355 f. BGB).
3. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass eine Unangemessenheit der angegriffenen Klausel auch daraus folgt, dass bei Nichtnutzung der mobilen Briefmarke innerhalb der gesetzten Gültigkeitsdauer der ersatzlose Entzug des Anspruchs auf Beförderung der Briefe/Postkarten folgt, weil nach Ablauf der Frist von 14 Tagen eine Erstattung des geleisteten Betrages durch die Beklagte an die Verbraucher nicht vorgesehen ist. Die von der Beklagten vorgetragenen Gesichtspunkte der Missbrauchsgefahr und der Preisanpassung lassen nur ein Interesse deutlich werden, die Verwendbarkeit der Portocodes zeitlich zu begrenzen. Ein darüber hinausgehendes Interesse daran, mit dem Ende der Verwendbarkeit auch den im Voraus erhaltenen Betrag ersatzlos verfallen zu lassen, ergibt sich hieraus nicht (vgl. insoweit zum Verfall eines Telefonkartenguthabens BGH NJW 2001, 2635 Rn. 32 f.). Allenfalls die begrenzte Anzahl von verfügbaren Codes könnte ein schützenswertes Interesse darstellen, weil die Erstattungsfähigkeit an den einzelnen, zu einem späteren Zeitpunkt wieder neu zu vergebenden Codes abhängt. Insoweit vermag der Vortrag der Beklagten aber nicht zu begründen, dass eine Erstattung bereits nach 14 Tagen ausgeschlossen wird. Auf die obigen Ausführungen wird insoweit Bezug genommen. Eine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher erfolgt somit auch daraus, dass die angegriffene Regelung eine Erstattung eines nicht innerhalb der 14 Tage genutzten Portocodes nicht vorsieht. Schon ein solcher teilweiser Verstoß einer AGB gegen § 307 BGB führt zur Unwirksamkeit der Klausel im Ganzen; eine geltungserhaltende Reduktion ist unzulässig (vgl. Grüneberg-Grüneberg, a.a.O. § 306 BGB Rn. 6 m.w.N.). Es mag sich zwar bei dem Verfall der Portocodes nach 14 Tagen im Einzelfall nur um geringfügige Beträge handeln. Die geringe Höhe des Entgelts ist jedoch grundsätzlich keine Rechtfertigung für unangemessene AGB (vgl. Grüneberg, a.a.O. Rn. 18 m.w.N.).
C. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Abmahnkosten folgt aus § 5 UKlaG i.V.m. § 13 Abs. 3 UWG.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet seine Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Soweit die Beklagte im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 11.10.2005 – XI ZR 395/04 -) vorsorglich die Zulassung der Revision beantragt hat, weicht der Senat von dieser Rechtsprechung nicht ab. Auf vorstehende Ausführungen wird verwiesen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt € 2.500,00 (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 2020 – X ZR 3/19 –, juris Rn. 8).
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OLG Köln, Urteil vom 13.06.2023, 3 U 148/22