LG München: Keine Beweislastumkehr im Rahmen der sekundären Darlegungslast – 21 S 28809/11

LG München, Urteil vom 22.03.2013, 21 S 28809/11

AG München 142 C 2564/11

Leitsätze des Verfassers

1. Der Anschlussinhaber ist prozessual nicht gehalten, die im Rahmen der sekundären Darlegungslast vorgebrachten Tatsachen auch zu beweisen, um die tatsächliche Vermutung dafür, dass er für die Rechtsverletzung verantwortlich ist, zu entkräften.

2. Eine Umkehr der Beweislast ist mit der sekundären Darlegungslast ebensowenig verbunden wie eine über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast gemäß § 138 Abs. 1 und 2 ZPO hinausgehende Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Kläger alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen.

3. Steht der Beweisführer – wie regelmäßig der Rechteinhaber in Bezug auf Vorgänge in der Sphäre des Anschlussinhabers – außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs, kann vom Prozessgegner im Rahmen des Zumutbaren das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache und die Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden. Diese sekundäre Darlegungslast geht aber in der Regel nicht soweit, dass der Anschlussinhaber durch eigene Nachforschungen aufklären müsste, wer Täter der Rechtsverletzung ist.

4. Dem Anschlussinhaber obliegt nicht der Beweis des Gegenteils in dem Sinne, dass er sich bei jeder über seinen Internetzugang begangenen Rechtsverletzung vom Vorwurf der täterschaftlichen Begehung entlasten oder exkulpieren muss.

Gründe

I. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts München vom 23.11.2011, Az.: 142 C 2564/11, (BI. 151/157 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte greift mit ihrer Berufung das erstinstanzliche Urteil im Umfang ihrer Verurteilung an und verfolgt dessen Aufhebung sowie die Abweisung der Klage. In der Berufungsinstanz macht die Beklagte geltend, das Erstgericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass der Klägerin ein Aufwendungsersatzanspruch in Höhe der Abmahnkosten von € 651,80 zustehe, da die Abmahnung mangels Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte unberechtigt gewesen sei und keine erforderlichen Aufwendungen begründet habe.

Das Ersturteil gehe unzutreffenderweise davon aus, dass die streitige Rechtsverletzung über den Internetanschluss der Beklagten begangen worden und diese hierfür persönlich verantwortlich sei. Die Beklagte sei weder Täterin noch Störerin einer Urheberrechtsverletzung. Eine Tätereigenschaft habe das Amtsgericht zu Recht nicht angenommen, es fehle aber auch der Störereigenschaft, da Störer nur derjenige sei, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beitrage, was bei der Beklagten nicht der Fall gewesen sei.

Die Klägerin habe bereits erstinstanzlich keinen ausreichenden Beweis erbracht, dass die Beklagte in einer die Störerhaftung begründenden Art und Weise an der Rechtsverletzung beteiligt gewesen sei. Die Beklagte habe dagegen ihrer sekundären Darlegungslast genügt, indem sie von Anfang an dargelegt habe, dass sie zum fraglichen Tatzeitpunkt am 04.01.2010 um 09:10:57 Uhr allein gewohnt habe, keinen Computer besessen habe, über keinen WLAN-Router verfügt habe, auch sonst keine Gerätschaften besessen habe, um Filesharing-Netzwerke zu benutzen und keine bekannte Person den lediglich theoretisch vorhandenen Internetanschluss der Beklagten genutzt habe. Die Klägerseite sei diesem Vorbringen zu keinem Zeitpunkl qualifiziert entgegengetreten, geschweige denn habe sie einen entsprechenden Beweis angeboten. Aufgrund der von der Beklagten substantiiert im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast dargestellten Situation hätten die Beklagte auch keinerlei Prüfpflichten getroffen, so dass es für die streitgegenständliche Inanspruchnahme als Störerin von vornherein an einer Verletzung solcher Prüfpflichten gefehlt habe.

Die Beklagte macht weiter geltend, entgegen der Annahme des Erstgerichts habe das Ergebnis der dortigen Beweisaufnahme auch nicht den Schluss zugelassen, dass die Urheberrechtsverletzung über den Anschluss der Beklagten begangen worden sei. Es habe an hinreichenden Feststellungen über die Zuordnung der IP-Adresse zur Beklagten durch den zuständigen Provider gefehlt. Die Aussagen der erstinstanzlich vernommenen Zeugen bezögen sich lediglich auf die allgemeine Funktionsweise der verwendeten Ermittlungssoftware, ließen jedoch keinen Bezug zur Ermittlung der hier streitgegenständlichen IP-Adresse zum Tatzeitpunkt am 04.01.2010 um 09:10:57 Uhr zu. Die eigentlich relevante Frage, ob damit die Zuordnung zur Beklagten richtig erfolgt sei und eine Verantwortlichkeit für die Rechtsverletzung begründen könne, sei daher unbeantwortet geblieben.

Die Beklagte habe auch in einem über ihre Verpflichtung hinausgehenden Maße die tatsächliche Vermutung ihrer Verantwortlichkeit entkräftet, indem durch die erstinstanzlich vernommene Zeugin […] belegt worden sei, dass ein einstmals vorhandener Computer bereits im Juli 2009 verkauft worden sei und die Beklagte auch kein sonstiges internetfähiges Endgerät besessen habe. Zudem habe die Zeugin bestätigt, dass lediglich eine kleine Box, die ein DSL-Splitter gewesen sei, nicht jedoch ein WLAN-Router im Haushalt der Beklagten vorhanden gewesen sei. Insoweit sei es haltlos, wenn das Erstgericht aus einer Gesamtschau der Beweisaufnahme ableite, dass die Beklagte zum Verletzungszeitpunkt ein WLAN-Netzwerk unterhalten habe.

Es habe ausgereicht, dass die Beklagte im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast hinreichend in dem ihr zumutbaren Maße die Verantwortungsgesichtspunkte entkräftet habe, weil sie weder über einen Computer noch über einen Router verfügt habe und niemand zum streitgegenständlichen Tatzeitpunkt Zugang zu ihrem Internetanschluss gehabt habe.

Es hätte überdies beachtet werden müssen, dass weder die IP-Adresse noch der Hashwert oder der Zeitstempel, die mittels einer Filesharing-Software festgehalten würden, einen Rückschluss auf eine bestimmte Person zuließen, zumal mittlerweile eine Vielzahl von technischen Manipulationsmöglichkeiten existiere, die eine sichere Zuordnung unmöglich mache. Hinsichtlich der Einzelheiten des Vortrags der Beklagten wird insoweit auf die Seiten 22 bis 32 der Berufungsbegründung (BI. 203/213 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte macht weiter geltend, der erstinstanzlich in Ansatz gebrachte Streitwert von € 10.000,00 für die vorgerichtliche Abmahnung sei überhöht, da generalpräventive Erwägungen oder Sanktionierungsgesichtspunkte außer Acht zu bleiben hätten und die Klägerin eine Begründung ihres Wertinteresses schuldig geblieben sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 23.11.2011 verkündeten Urteils des Amtsgerichts München, Az.: 142 C 2564/11,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung unter Aufrechterhaltung des Urteils des Amtsgerichts München, Az.: 142 C 2564/11 vom 23.11.2011 zurückzuweisen.

Die Klägerin entgegnet, der Sachvortrag der Beklagten in erster Instanz, der in der Berufungsbegründung wiederholt werde, stehe mit dem außergerichtlichen Vortrag in Widerspruch, wonach möglicherweise ein Familienmitglied die Verletzungshandlung begangen habe, jedoch alle Familienmitglieder, die Zugang zu dem Internetanschluss der Beklagten gehabt halten, ausdrücklich instruiert worden seien, keine urheberrechtlich geschützten Werke über das Internet zu tauschen. Auch stehe der Sachvortrag in erster Instanz wiederum zu dem Vortrag im erstinstanzlich zurückgewiesenen Schriftsatz vom 11.11.2011 sowie zur Aussage der Zeugin […] im Widerspruch. Das Amtsgericht sei zutreffenderweise davon ausgegangen, dass die Beklagte als Täterin hafte, da es ihre persönliche Verantwortlichkeit für die Urheberrechtsverletzung festgestellt habe. Dies ergebe sich daraus, dass es laut erstinstanzlichem Urteil auf die Frage der Störerhaftung nicht weiter ankomme. Da sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht herausgestellt habe, dass die Beklagte ihren PC nicht an einen uabhängigen Dritten, sondern an ihre Tochter verkauft habe, sei es möglich, dass sie ihre Zugangsdaten des Internetanschlusses gerade beim Verkauf des PC an die eigene Tochter weitergegeben habe, so dass bei der Beauskunftung durch die Telekom der Anschlussinhaber mit der entsprechenden Benutzerkennung identifiziert worden sei. Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung hafte die Beklagte daher schon wegen der mangelnden Sicherung bzw. der Weitergabe der Zugangsdaten zu ihrem Internetanschluss. Wenn sie ihre Internetzugangsdaten bewusst aus der Hand gegeben habe, lägen sämtliche Handlungen, die anschließend mit diesen Zugangsdaten begangen würden, in ihrem Verantwortungsbereich.

Hilfsweise hafte die Beklagte aber auch als Störerin, da sie über einen lnternetanschluss verfügt habe und sie bereits mit der Inbetriebnahme dieses Anschlusses Prüfpflichten getroffen hätten. Da über den von der Beklagten eingeräumten DSL-Splitter eine Internetverbindung nicht hergestellt werden könne, sei davon auszugehen, dass auch ein Router vorhanden gewesen sei und dieser über eine WLAN-Funktionalität verfügt habe. Die Beklagte habe insoweit keinerlei Sicherungsmaßnahmen getroffen und sei ihren Prüfpflichten nicht nachgekommen. Da lediglich die Erstattung vorgerichtlicher Kosten verlangt worden sei, sei es für die Entscheidung des Amtsgerichts nicht entscheidend darauf angekommen, ob die Haftung unter Täter- oder Störergesichtspunkten bestehe.

Der für die vorgerichtliche Ahmahnung angesetzte Streitwert von € 10.000,00 sei angemessen, zumal in vergleichbaren Fällen sogar höhere Streitwerte von € 30.000,00 angenommen würden.

Die von der Beklagten erstmals in der Berufungsinstanz angeführten neuen Tatsachen zu ihrer Telefonumgebung seien verspätet und überdies widersprüchlich. Gleiches gelte für ihren Vortrag hinsichtlich möglicher Fehlerquellen bei der Ermittlung des Anschlussinhabers mithilfe der IP-Adresse.

Die Beklagte hafte in jedem Fall unabhängig davon, ob sie ein WLAN-Netzwerk unterhalten habe oder ein Internetzugang nur unter physischer Anwesenheit des Täters habe erfolgen können.

Auch hafte sie für die Weitergabe der Zugangsdaten ihres Computers, sollte die Rechtsverletzung nicht über den physischen Anschluss in ihrer Wohnung selbst erfolgt sein. Dass es dem Kunden eines DSL-Anschlusses nicht erlaubt sei, die Anschlussdaten an Dritte weiterzugeben, ergebe sich bereits aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Telekom. Im nachgelassenen Schriftsatz vom 28.11.2012 (Bl. 266/268 d.A.) führt die Klägerin erstmals aus, die Beklagte sei – wie die Klägerin nunmehr am 23.11.2012 erfahren habe – ein weiteres Mal infolge einer Rechtsverletzung an dem Filmwerk […] zum Nachteil einer […] beauskunftet worden. Aufgrund der wiederholten Ermittlung ihres Anschlusses sei nach der Rechtsprechung kein Raum mehr für Zweifel an der fehlerfreien Zuordnung der Rechtsverletzungen zum Anschluss der Beklagten.

Zur Ergänzung wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze der Parteivertreter nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2012 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen. II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg, da die Beklagte weder als Täterin noch als Störerin auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten in Höhe von € 651,80 nebst Zinsen haftet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung vom 19.02.2010 aus § 97 a Abs. 1 UrhG oder §§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB zu. Grundsätzlich setzt der Erstattungsanspruch nach der als lex specialis den §§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB vorgehenden Norm des § 97 a Abs. 1 UrhG voraus, dass die Abmahnung des Verletzten berechtigt ist. Dies war vorliegend nicht der Fall, da die Beklagte der Klägerin weder als Täterin noch als Störerin auf Unterlassung § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG haftete.

a) Eine Haftung der Beklagten als Täterin der Urheberrechtsverletzung scheidet aus, da die Beklagte ihrer aus der Ermittlung ihres Anschlusses entstandenen sekundären Darlegungslast nachgekommen ist, die Klägerin jedoch nicht zu beweisen versucht hat, dass die Beklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt am 04.01.2010 um 09:10:57 Uhr den Anschluss auch tatsächlich selbst benutzt hat, um das zu Gunsten der Klägerin urheberrechtlich geschützte Filmwerk gemäß § 19 a UrhG öffentlich zugänglich zu machen.

aa) Wird ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Daraus ergibt sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine andere Person habe die Rechtsverletzung begangen (BGH NJW 2010, 2061, Tz. 12 – Sommer unseres Lebens).

bb) Entgegen der Auffassung der Klagepartei ist ein beauskunfteter Anschlussinhaber prozessual jedoch nicht gehalten, die im Rahmen der sekundären Darlegungslast vorgebrachten Tatsachen auch zu beweisen, um die tatsächliche Vermutung dafür, dass er für die Rechtsverletzung verantwortlich ist, zu entkräften. Eine Umkehr der Beweislast ist mit der sekundären Darlegungslast ebensowenig verbunden wie eine über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast gemäß § 138 Abs. 1 und 2 ZPO hinausgehende Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Kläger alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Steht der Beweisführer – wie regelmäßig der Rechteinhaber in Bezug auf Vorgänge in der Sphäre des Anschlussinhabers – außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs, kann vom Prozessgegner im Rahmen des Zumutbaren das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache und die Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden. Diese sekundäre Darlegungslast geht aber in der Regel nicht soweit, dass der Anschlussinhaber durch eigene Nachforschungen aufklären müsste, wer Täter der Rechtsverletzung ist.

Erst recht obliegt dem Anschlussinhaber nicht der Beweis des Gegenteils in dem Sinne, dass er sich bei jeder über seinen Internetzugang begangenen Rechtsverletzung vom Vorwurf der täterschaftlichen Begehung entlasten oder exkulpieren muss. Die tatsächliche Vermutung der Verantwortlichkeit beruht nämlich nicht auf einer gesetzlichen Wertung, sondern auf der Annahme eines der Lebenserfahrung entsprechenden Geschehenssablaufs, wonach in erster Linie der Anschlussinhaber seinen Internetzugang nutzt, jedenfalls über die Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese mit Tatherrschaft bewusst kontrolliert. Diese Annahme wird erschüttert und die Vermutungsgrundlage beseitigt, wenn Umstände feststehen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ergibt (OLG Köln, MMR 2012, 549, 550; OLG München vom 01.10.2012, 6 W 1705/12, Seite 3, vorgelegt als Anlage BB 12).

cc) lhrer sekundären Darlegungslast ist die Beklagte dadurch nachgekommen, dass sie erstinstanzlich vorgetragen hat, sie habe zum streitgegenständlichen Zeitpunkt keinen Computer mehr besessen, da sie ihn im Juni 2009 verkauft habe, sie habe keine weiteren internetfähigen Gerätschaften besessen, um Filesharing-Netzwerke nutzen zu können, sie habe keinen WLAN-Router, sondern nur einen sogenannten Splitter besessen, habe zum vermeintlichen Tatzeitpunkt alleine gewohnt und es habe keine bekannte Person den nur theoretisch vorhandenen, aber mangels Router nicht nutzbaren Internetanschluss der Beklagten verwendet.

Diese von der Klägerin im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast vorgebrachten Tatsachen schließen es auch bei Anlegung eines nach Auffassung der Kammer anzulegenden strengen Maßstabs an den Detailgrad und die Plausibilität des Sachvortrags aus, dass die Klägerin zum Tatzeitpunkt tatsächlich selbst über den beauskunfteten Internetanschluss die Rechtsverletzung durch ein öffentliches Zugänglichmachen begangen hat.

Dass sich in ihrer Besitz- und Gewahrsamssphäre lediglich ein nicht zugangsfähiger Splitter, jedoch kein DSL-Router oder WLAN-Router befunden hat und die Klägerin nach ihrer Darlegung zum Tatzeitpunkt weder über einen Computer noch über ein sonstiges internetfahiges Gerät verfügte, schließt es aus, dass der vermutungsbegründende typische Geschehensablauf einer eigenen Tatbegehung des Anschlussinhabers tatsächlich stattgefunden hat. In dieser prozessualen Situation oblag es nach dem oben Gesagten nicht der Beklagten, den Beweis für die im Rahmen der sekundären Darlegungslast vorgetragenen Tatsachen zu erbringen, sondern vielmehr hätte die Klägerin nach allgemeinen Grundsätzen Beweis für die anspruchsbegründende Verletzungshandlung anbieten und die im Rahmen der sekundären Darlegungslast vorgetragenen Tatsachen so widerlegen müssen, dass sich die täterschaftliche Verantwortung der Beklagten ergibt. Entsprechende Beweisantritte ist die Klageseite in erster Instanz jedoch schuldig geblieben.

b) Nichts anderes gilt nach den oben dargestellten Grundsätzen auch für die Störerhaftung, da es die von der Beklagten im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast vorgebrachten Tatsachen auch ausschließen, dass die Beklagte – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beigetragen hat.

Die Tatsache, dass sie nach eigenem Vortrag weder einen WLAN-Router besessen hat, der ein drahtloses Zugreifen von außen ermöglicht, noch über einen DSL-Router verfügt hat, der eine drahtgebundene Verbindung ins lnternet zulässt, führt dazu, dass seitens der Beklagten nichts getan worden ist, was es Dritten in ihr zurechenbarer Art und Weise ermöglicht hätte, auf das Internet zuzugreifen. Aufgrund des Fehlens jeglicher Zugangseinrichtung kann nicht angenommen werden, dass seitens der Beklagten eine Willensbetätigung erfolgt ist, in ihrer Sphäre überhaupt einen Zugang zum Internet zu ermöglichen.

Zudem kann im Rahmen einer Adäquanzbetrachtung nicht davon ausgegangen werden, dass unter regelmäßigen Umständen trotz der fehlenden technischen Zugangsmöglichkeiten in einer der Beklagten zurechenbaren Weise von Dritten auf das Internet zugegriffen wird, z.B. weil sie ohne Wissen und Wollen der Beklagten diese Zugangseinrichtungen selbst hinzufügen. Eine derart überspannte Betrachtungsweise würde die Störerhaftung in die Nähe einer Gefährdungshaftung rücken, durch die ein Betreiber eines Internetanschlusses bereits deswegen für Verletzungen haftet, weil er eine von einem Internetzugang ausgehende Gefahr eröffnet hat. Entsprechende Gefährdungshaftungstatbestände hat der Gesetzgeber jedoch nicht vorgesehen.

2. Soweit die Klägerin in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 28.11.2012 (BI. 266/268 d.A.) erstmals vorträgt, der Anschluss der Beklagten sei ein zweites Mal durch eine andere Rechteinhaberin als derjenige Anschluss ermittelt worden, von dem im Rahmen einer Tauschbörse ein Filmwerk-öffentlich zugänglich gemacht wurde, war dieses Vorbringen nach § 296 a Satz 1 ZPO unberücksichtigt zu lassen, da das Schriftsatzrecht der Klägerin gemäß § 283 Satz 1 ZPO antragsgemäß ausschließlich die Erwiderung auf neuen Tatsachenvortrag im Schriftsatz der Beklagten vom 07.09.2012 umfasste (Bl. 263 d.A.). Die mündliche Verhandlung war auch nicht gemäß § 156 Abs. 1 ZPO wiederzueröffnen, da das neue Vorbringen nicht entscheidungserheblich war. Selbst wenn man der Auffassung der Klagepartei folgt, wonach Zweifel an der Richtigkeit der Anschlussermittlung durch die mehrfache Beauskunftung ausgeräumt würden, lassen sich daraus für die hier maßgebliche Frage der Täter- oder Störerhaftung der Beklagten keine Schlüsse ziehen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO und § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 1.Alt. ZPO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Die Frage, ob die tatsächliche Vermutung, dass diejenige Person für eine Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist, deren Anschluss eine in einem Filesharing-Netzwerk bei einer Rechtsverletzung ermittelte IP-Adresse zugeordnet wurde, auch eine Auswirkung auf die Beweislastregeln hat, ist derzeit höchstrichterlich nicht entschieden.

Da die Urheberrechtsstreitverfahren mit Bezug zu Filesharing-Netzwerken vor den meist zuständigen Amtsgerichten vielhundertfach geführt werden und die Reichweite der sich aus dem Urteil „Sommer unseres Lebens“ abzuleitenden tatsächlichen Vermutung im Hinblick auf die Beweissituation nicht endgültig geklärt ist, fehlt für die rechtliche Beurteilung typischer Lebenssachverhalte eine richtungsweisende Orientierungshilfe (vgl. BGH NJW 2002, 3029).

Gleichzeitig besteht ein abstraktes Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts bei dieser Frage, da sich bei dem hohen Verbreitungsgrad drahtgebundener und vor allem drahtloser Internetzugänge samt der – teilweise unbeabsichtigten und unberechtigten – Zugriffsmöglichkeiten Dritter die Rechtsfrage in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellt.

Zur Wahrung des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG war daher die Revision zuzulassen (vgl. BVerfG NJW 2012, 1715).